: Löhne hinken der Preissteigerung hinterher
Deutschland und die USA verzeichnen schrumpfende Reallöhne. Ein möglicher Grund ist die Globalisierung
BERLIN taz ■ Mit Arbeit Geld zu verdienen wird immer schwieriger. In den USA ist der Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt inzwischen so klein wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1947. Das zeigen Daten des US-Arbeitsministeriums. Und auch in Deutschland steigen die Löhne inzwischen oftmals langsamer als die Preise.
Das Ministerium in Washington teilte mit, dass die Löhne und Gehälter real, also unter Abzug der Preissteigerung, seit 2003 um zwei Prozent sanken. Während die Lohnsumme schrumpft, erreicht der Anteil der Unternehmensgewinne am Inlandsprodukt Rekordhöhen.
Auch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichte gestern Zahlen, wonach die Tarifverdienste im ersten Halbjahr 2006 zwischen 3,4 Prozent bei den baden-württembergischen Energieversorgern und 0,5 Prozent im rheinländischen Großhandel zunahmen. In vielen Branchen – beispielsweise auch am Bau, im Druck- und im Verlagsgewerbe – können die Lohnerhöhungen die Preissteigerungsrate von rund zwei Prozent nicht ausgleichen. Im Schnitt mussten nach Tarif bezahlte Arbeitnehmer 2005 Lohneinbußen von 0,8 Prozent hinnehmen.
In Deutschland wird Lohnzurückhaltung nach wie vor als Königsweg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit schöngeredet. Dabei leidet die Wirtschaft unter der schwachen Binnennachfrage. „Höhere Löhne sind nun notwendig, um Wirtschaftswachstum und somit Arbeitsplätze im Inland zu schaffen“, forderte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger.
In den USA steigt dagegen die Unzufriedenheit über die wachsende Kluft zwischen Arbeitseinkommen und Kapital. Sie entwickelt sich vor den Kongresswahlen im November zum Politikum. Schließlich schwankt das jährliche Wirtschaftswachstum seit 2003 zwischen 2,5 und 3,9 Prozent. Auch die Produktivität nimmt zu, und die Arbeiter fordern ihren Anteil am Zuwachs. Als Grund für die Lohnerosion nennen Ökonomen vor allem einen Faktor: Globalisierung. Das international mobile Kapital findet immer irgendwo eine lukrative Anlagemöglichkeit. Die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer dagegen sinkt, seit Firmen ganz leicht mit Produktionsverlagerung drohen können. Selbst US-Notenbankchef Ben Bernanke überraschte seine Zuhörer zuletzt, als er vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung warnte: Die Politik müsse „sicherstellen, dass die Gewinne aus der Globalisierung hinreichend breit verteilt werden“.
NICOLA LIEBERT
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