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daumenkino„Adams Äpfel“

Ein gegen den Strich gebürsteter Heimatfilm. Aus Dänemark. Eine Kirche. Ein Apfelbaum. Fünf Schauspieler. Alles. Aber alles ist immer anders. Im Kino hab ich unkontrolliert gelacht. Über mich. Weil wieder eine dieser Unverschämtheiten gezündet hat.

Anfangs kommt man in eine Resozialisierungsidylle und denkt, so blauäugig, wie’s dort zugeht, das darf doch bitte nicht wahr sein. Bis dann irgendwann, Finger schnalz, die Erleuchtung kommt: Es ist auch nicht wahr.

Das Wort Erleuchtung ist übrigens nicht zu hoch gegriffen, wir finden uns zwischen Kirche und Apfelbaum in einem biblischen Gleichnis wieder. Nicht umsonst schlägt sich das Alte Testament, das Adam testweise auf den Boden wirft, jedes Mal beim Buch Hiob auf. Dass dieses Gleichnis lachhaft ist, ist dem Film angelegen. In der Schlussszene nimmt sich Fabulator Jensen selbst auf den Arm. Ein Liebespaar! Eine Hochzeit! Das darf doch nicht wahr sein! Aber nicht weiter rumgeredet. Adam ist Skin, Neonazi, straffällig und Titelheld des Films. Außerdem hat er Bewährung mit der Auflage, drei Monate in der von Pastor Ivan betreuten Wohngemeinschaft zu verbringen. Als Erstes hängt er sein Hitlerbild auf. Einer fragt: „Ist Hitler dein Vater?“ Antwort: „Nein, meiner hatte einen Vollbart.“ Ja. So ist es.

Diese hinterfotzigen Dialoge sind von der Art, dass man trotzdem lacht. Hier hält sich ein Film mitnichten an die allgemeine Verabredung. „Hast du ein Ziel?“, fragt Pastor Ivan. „Ich will Kuchen backen, Apfelkuchen.“ Okay, tun wir alles, dass der Nazi zum Ziel kommt. Sonst kann unser Nazi nicht seine Erlöserrolle spielen. Richtig gehört. Nazi erlöse uns von dem Übel. Er tut solches. Ob freiwillig und ob ein Gehirntumor was Übles sein muss, lass ich hier lieber im Nebulösen.

Adams Kameraden erscheinen und machen den Resozialisierungsprobanden Khaled, den Araber, an: „Nigger!“ Wieder kommt es anders als beim Zuschauer programmiert. Ist Khaled Opfer? I wo. Er ist Täter, und zwar auch einer mit Ziel. Nachts geht er Tankstellen ausrauben. Und was die Nazi-Gang für eine ist, kriegt sie in ihrem Vokabular zu hören: „Schwuchteltruppe!“ Außerdem schießt er Adams Kameraden mit der Räuberpistole Löcher in den Bauch. Und wenn man jetzt meint, dass all das für die Aufenthaltsbewilligung abträglich ist, so ist er Ausländer, der eben nicht bleiben will. „Ich will weg aus Schwuchtelland.“

Also gut. Ich will nicht alles erzählen. Wohl aber mich begeistern darüber, dass ich den Film hindurch ständig meine vorgefasste Meinung änderte. Kennen gelernt habe ich prima Schauspieler, die in Dänemark längst berühmt sind. Und einen provokanten Regisseur, der diesen vertrackten närrischen Humor hat, „’cause we’re living in a world of fools / Breaking us down / When they all should let us be / We belong to you and me“ (Barry, Robin und Maurice Gibb in „Adams Äpfel“). DIETRICH KUHLBRODT

„Adams Äpfel“. Regie: Anders Thomas Jensen. Mit Ulrich Thomsen, Mads Mikkelsen u. a. Dänemark 2006, 89 Min.

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