piwik no script img

irlandFlukas der Falsche

Anfangs herrschte Optimismus. Die Älteren schwelgten in Erinnerungen: „Weißt du noch“, fragte John mit feuchten Augen, „12. Juni 1988? Stuttgarter Neckarstadion?“ Damals gewann Irland in der Endrunde der EM gegen England mit 1:0. Das irische Fernsehen interviewte am Samstag den Torschützen Ray Houghton. Als die Kamera nach links schwenkte, sah man Irlands Trainer Steve Staunton, der Grimassen schnitt, um Houghton aus der Fassung zu bringen. Während des Spiels schnitt er auch Grimassen, die allerdings wütend gegen den Unparteiischen gerichtet waren. Eine Viertelstunde vor Schluss produzierte Staunton mit seinem früher gefürchteten linken Fuß den besten Schuss, den Irland an diesem Abend zustande brachte, als er gegen eine Wasserflasche trat. Das brachte ihm einen Platzverweis ein.

Staunton lobte nach dem Spiel die irischen Fans. „Das Land kann stolz auf sie sein“, sagte er. Es wäre schön, wenn man das über die Fußballer sagen könnte. Man hatte den Eindruck, dass sie noch tagelang weiterspielen konnten, ohne ein Tor zu erzielen, so harmlos waren die Stürmer um Robbie Keane. Das letzte Mal, dass er gegen einen starken Gegner traf, war bei der WM 2002, als er gegen Deutschland den Ausgleich erzielte. Am Samstag traf er erneut – ins eigene Tor. Podolskis Glücksschuss, den Keane abgefälscht hatte, trieb die irische Boulevardpresse zur Höchstform an. „So Un-Luky“, titelte die News of the World, und die Sunday World stand dem mit „It’s Flukas Podolski“ in nichts nach – „fluke“ bedeutet „Dusel“.

Bereits vor dem Tor war man sich vor den irischen Fernsehern einig, dass Podolski der unsympathischste Spieler auf dem Platz war. „Aus seinem ewigen Lächeln spricht die Falschheit“, diagnostizierte Aine. Der haarsträubendste Spielbericht stand gestern in der Sunday World. Eine Stunde lang sei es wie früher gewesen, dümmelte Korrespondent Roy Curtis, als die „Berliner Mauer wie eine undurchdringliche Barriere aus Stein zwischen den Deutschen und ihren Träumen“ stand. Am Samstag sei Irlands Torwart Shay Given diese Berliner Mauer gewesen, und als sie endlich überwunden war, feierte die Mannschaft, „wie ihre Brüder es an jenem historischen Tag vor 17 Jahren taten“. Wenn es eine undurchdringliche Mauer gibt, dann steht sie zwischen Irland und der Teilnahme an der EM in zwei Jahren. RALF SOTSCHECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen