piwik no script img

Der allerletzte Abschied

Nachdem Martina Navratilova die Mixed-Konkurrenz bei den US Open gewonnen hat, sagt sie endgültig Bye-bye. Ihr Wissen vom Tennissport gibt sie nun in Büchern wie „Shape yourself“ weiter

AUS NEW YORK DORIS HENKEL

Da kann man nicht meckern, diesen Schlussakkord haben sie alle miteinander prima hingekriegt. Während des letzten Seitenwechsels tönten, passend im Jahrgang, die frühen Beatles aus dem Lautsprecher im Arthur Ashe Stadion; den Matchball zum ultimativen Titelgewinn verwandelte Partner Bob Bryan mit einem Ass, und als sie am Ende noch einmal einen Pokal in die Luft hielt, schmetterte Tina Turner vom Band: „You’re simply the best“. Bester Laune und mit dem 59. Grand-Slam-Titel ihrer Karriere verabschiedete Martina Navratilova sich Samstagabend kurz vor Mitternacht als aktive Tennisspielerin. Nach 33 Jahren und nach fast 2.000 Spielen.

Diesmal ist es endgültig. Kein Rücktritt vom Rücktritt, auf gar keinen Fall. Nächsten Monat wird sie 50, aber wenn es nur danach ginge, dann könnte sie weiterspielen; ihre Fitness ist immer noch sehenswert, und die Lust an der Auseinandersetzung hat in all den Jahren nicht gelitten. Ihr bissiger Humor auch nicht: Sie sagt, wenn man alt genug sei, von der amerikanischen Rentner-Vereinigung Rabatt zu bekommen, dann sei es Zeit, mit dem Leben was anderes anzufangen.

Nach dem ersten von insgesamt 167 Titeln im Einzel hatte sie vor mehr als drei Jahrzehnten einen Lichtmasten umarmt, weil niemand da war, den sie hätte umarmen können, so fern der Heimat. Nach dem letzten von 186 in Doppel und Mixed hielt sie sich an Bob Bryan, der so stabil wie ein Lichtmast ist, aber ein wenig freundlicher. Im Einzel stand sie insgesamt 331 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, im Doppel gab es keine Bessere, und vieles von dem, was die jungen Spielerinnen heute selbstverständlich finden, hat sie ihnen vorgelebt. Sie war die Erste, die die Bedeutung der Fitness für das Frauentennis propagierte, und sie hat zu allem ihre Meinung gesagt. Ob es um die Walfangquote vor der Küste Japans oder um die Zumutung ging, als amerikanische Staatsbürgerin von einem Präsidenten wie George W. Bush repräsentiert zu werden. Der Name Navratilova stand und steht für Offensive und Angriffslust, nicht nur auf dem Tennisplatz. Jetzt freut sie sich darauf, mehr Zeit mit ihren Lieben zu verbringen, sie wird den Verkauf ihres neuen Fitness-Buches mit dem Titel „Shape yourself“ ankurbeln, und sie wird der Welt des Tennis natürlich nicht verloren gehen.

Bei den großen Turnieren wird man die Navratilova in Zukunft als Fernseh-Kommentatorin sehen und hören, sie kann sich vorstellen, Spielerinnen zu betreuen, und sie denkt daran, eine Tennis-Schule zu eröffnen. Wer sollte den jungen Leuten denn sonst zeigen, wie man einen anständigen Volley spielt? Denn mit der Richtung, die die rasante Entwicklung der Technologie dem Spiel aufgedrängt hat, kann sie sich weniger anfreunden denn je. „Wenn ich, als beste Volleyspielerin, die es je gab, damit Schwierigkeiten habe, dann läuft da was falsch. Die Plätze sind zu langsam, mit den Schlägern kannst du zu hart schlagen. Man kann immer noch variabel spielen, aber es ist verdammt schwer geworden.“

Als sie 2000, fünf Jahre nach ihrem ersten Rücktritt, wieder Doppel spielte, sagte sie: „Ich tue das, weil ich es will und kann.“ Drei Grand-Slam-Titel gewann sie im scheinbar endlosen zweiten Frühling, die ersten beiden 2003 in Melbourne und Wimbledon mit dem Inder Leander Paes. Doch der Wind drehte sich, die allgemeine Bewunderung ließ spürbar nach, als sie im Jahr darauf meinte, es auch im Einzel noch mal versuchen zu müssen. Auf die nicht nur hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik, sie nehme jungen Spielerinnen den Platz weg, reagierte sie beleidigt. Nach ein paar Monaten, in denen sie die meisten Einzel verlor, ließ sie es sein. Und beim Umgang mit ihren Doppelpartnerinnen machte sie sich auch nicht nur Freunde, wie im Fall von Anna-Lena Grönefeld. Zusammen gewannen die beiden einen Titel, doch nach einer Niederlage im Halbfinale der US Open im vergangenen Jahr wurde Grönefeld grußlos abserviert. Aber darauf kommt es jetzt nicht mehr an. Sonntag durfte Navratilova bei einer Ehrung durch den US-Tennis-Verband, der Aufnahme in den so genannten Court of Champions, noch einmal im Beifall des Publikums baden. Und nun ist es wirklich vorbei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen