: Unnötig extrastreng
RESIDENZPFLICHT
Sie ist eines der umstrittensten Instrumente der Ausländerpolitik bundesweit: die Residenzpflicht, die Flüchtlinge dazu zwingt, sich nur in vorgeschriebenen Bereichen zu bewegen. In Niedersachsen legt ein Teil der kommunalen Ausländerbehörden die Residenzpflicht allerdings unnötig streng aus. So streng, dass Innenminister Boris Pistorius (SPD) seine Behörden diese Woche mit einem Erlass zurückpfiff: Sie dürfen die Residenzpflicht nur noch in Ausnahmefällen verschärfen.
Bislang war mitunter das Gegenteil die Regel, wie Pistorius’ Ministerium auf Anfrage der Grünen-Migrationspolitikerin Filiz Polat eingestehen musste. Einzelne Behörden schränkten den Bewegungsradius insbesondere für Geduldete zusätzlich ein. Die dürfen sich grundsätzlich innerhalb des Bundeslandes, in dem sie untergebracht sind, frei bewegen. In Harburg gilt das allerdings nur für einen Bruchteil: Bei 270 der 305 dort lebenden Geduldeten hat die Ausländerbehörde die Aufenthaltsbeschränkung per Ermessensentscheid auf den Landkreis reduziert. In Stade gilt eine solche Verschärfung für 200 von rund 313 Geduldeten, in Rotenburg für 57 von 127. Als Gründe werden mangelnde Mitwirkung etwa bei der Passbeschaffung und Identitätsklärung genannt – oder aber vorherige Verstöße gegen die Residenzpflicht. Das Verlassen der Kreis- oder Landesgrenzen kann auch als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden. Auch das ist ein Mittel, von dem in Niedersachsen rege Gebrauch gemacht wird, wie die Anfrage ergab.
Polat fordert angesichts der Behördenwillkür und der Kriminalisierung von Flüchtlingen dringend, die Residenzpflicht bundesweit zu lockern. Bei Niedersachsens Innenministerium aber ziert man sich noch. Man verfolge „nach wie vor die Zielrichtung, die Residenzpflicht zu lockern“, heißt es dort. Ob Niedersachsen wie das Nachbarland Schleswig-Holstein eine sogenannte Generalerlaubnis, einführt, prüfe man aber noch. THA
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