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Über den Vorteil von Uschi Müllers Wohnung, durch die sich die Strecke zum Trainingsplatz des FC Bayern deutlich verkürztDas Mädchen in mir

Liebling der Massen

ULLI HANNEMANN

Der 20-jährige Fußballnationalspieler Thomas Müller in einem Zeitungsinterview über seine Ehe: „Bei meiner Frau und mir hat es von Anfang an gut gepasst. Ich habe mich schon relativ früh bei ihr einquartiert. Sie hat in einem Vorort von München gewohnt. Das war für mich sehr praktisch, weil sich die Strecke zum Trainingsplatz des FC Bayern dadurch deutlich verkürzt hat.“

Ein dickes Ding. Nicht dass er mit 20 heiratet. Das hätte ich sicher ebenfalls gemacht, wenn ich damals auch nur irgendeine Frau gekannt hätte. Und aus einer gewissen Räsong heraus haben schließlich oft auch unsere Urahnen geheiratet: sei es, dass ihnen daran gelegen war, noch mehr blaues Blut unkontrolliert aus hohen Adelsnäschen schießen zu lassen, oder sei es, dass zwei Höfe zusammengelegt sein wollten. Doch nur zu heiraten, damit „sich die Strecke zum Trainingsplatz verkürzt“, zeugt schon von einer, die Logistik des Alltags zum alleinigen Götzen verklärenden, Kaltblütigkeit, die selbst unromantisch Veranlagten Schauer des Bäh über den Rücken jagt.

Natürlich übernachte auch ich vor allem deshalb gern bei meiner Freundin, weil es von ihrer Wohnung aus am nächsten Morgen einfach näher ist zu meiner anderen Geliebten und wir nur verdammt wenig Zeit haben, zwischen deren Frühstück mit Mann und Kindern und bevor sie wieder losmuss, um die drei kleineren vom Kindergarten abzuholen. Aber deswegen ziehe ich doch nicht gleich fest zu meiner Freundin, geschweige denn, dass ich sie heirate.

Viel besser als das Thomas-Müller-Modell gefällt mir da die Liebe, wie sie in dem Film „Mademoiselle Chambon“ dargestellt wird. Ausgerechnet ein französischer und noch dazu Liebesfilm, eine Kombination, die bei mir eigentlich seit je im Generalverdacht … Moment, ich stochere gerade nach dem passenden cineastischen Fachausdruck … genau, jetzt hab ich’s: unter dem dringenden Generalverdacht des Scheißeseins steht. Und ganz gewiss ein Mädchenfilm. Na und? Nach anfänglicher Enttäuschung über den eklatanten Mangel an Explosionen und zerfetztem Gedärm gelingt es mir rasch, tief unter dem Schuttberg aus abgestandenen Fußballerposen das Mädchen in mir auszugraben – trotzig, wankelmütig, romantisch und dennoch unheimlich stark im Abgang –, es vom gröbsten Schmutz zu befreien und es in eine so simple, lakonische und zugleich anrührende Welt der Liebe eintauchen zu lassen, wie man sie im Kino selten sieht. Schön auch, dass der schmerzhafte Widerspruch zwischen Liebe und Verliebtheit in diesem Film nicht, wie sonst üblich, von einem bigotten und emotional verarmten Calvinistenpack moralisch ausgedeutet wird. Mein Herzchen, eben noch aus kaltem Männerstein, schmilzt dahin wie Butter in der Frühlingssonne.

Eine derart starke Nachwirkung hinterlässt besagter Film, dass ich seit jenem Samstag noch immer von dem Mädchen in mir beherrscht werde. Ich singe „Lilala“ und kämme mich stundenlang vorm Spiegel. Summsumm. Sogar mein Körper beginnt sich neuerdings zu verändern. Ich werde wohl langsam, aber sicher eine richtige Frau. Sanft streichle ich über die hübschen kleinen Brüstchen, die mir der regelmäßige Bierkonsum geschenkt hat. Meine Mama in mir, mit der mich übrigens ein ganz tolles Verhältnis verbindet, meint, ich soll ab jetzt ein bisschen mit den Jungen aufpassen. Aber Jungs finde ich sowieso doof.

Außer den Thomas Müller. Der ist echt süß. Nur leider ist der schon mit der Dings zusammen, mit der, na, mit der Müller. Die hasse ich. Bloß weil die so nah am Trainingsplatz wohnt. Die Sau. Ach, ich wünschte mir, ich selber würde noch näher am Trainingsplatz wohnen als die. Dann wären nämlich wir zusammen, und die Müller könnte von mir aus mit diesem hässlichen Schweinemeier oder wie der heißt zusammensein – der passt sowieso viel besser zu ihr.

Menno, ich muss weinen. I’m dancing with tears in my eyes. Mein Poesiealbum wird nass. Love is a cloud of love. Love, love. Thomas und Uschi, äh, Uli – love forever, forever love!

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