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Ein Ingenieur im Matsch

GOLF Nach ihrem dramatischen Sieg im Ryder Cup feiern die europäischen Sieger ausgiebig. Nur der Debütant Martin Kaymer steht abseits nach seinem eher unglücklichen Auftritt

„Es war nicht meine Woche, es war die des Teams. Und wir haben gewonnen“

MARTIN KAYMER, DEUTSCHER GOLFER

AUS NEWPORT BERND MÜLLENDER

Martin Kaymer hatte nicht seine beste Form. Der deutsche Neuling durchlief viele sehr unterschiedliche Phasen bei seinem ersten Ryder Cup, der mit einem hauchdünnen 14,5:13,5-Sieg der Europäer endete. Sein eigenes Spiel war ziemlich lausig gewesen bei diesem Höhepunkt für die Golfer aus den USA und Europa.

In den Doppeln hatte er dennoch gepunktet – dank seiner bärenstarker Partner Lee Westwood und Ian Poulter aus England. Im Einzel gegen Dustin Johnson am Montag ging er dagegen unter, mit teilweise unterirdischen Schlägen und Putts ohne Selbstvertrauen. „Ich hab mich richtig mies gefühlt danach“, sagte er – kein Wunder, wenn man die höchste Klatsche aller bekommt – schon vier Löcher vor dem Ende der Runde lag er aussichtslos zurück. Ein gehemmter, desaströser Auftritt des nach Bernhard Langer zweiten Ryder-Cup-Siegers aus Germany.

Still und introvertiert war der 25-Jährige vier Tage lang unterwegs gewesen – wie ein Fremdkörper inmitten der 45.000 brüllenden Fans. Keine Machogesten mit den Fäusten wie die anderen, kein Gebrüll. Als die Zuschauer am Abschlag wieder ihre „Europe, Europe“-Choräle begannen und mit „La Ola“ und Olé-Gesängen das Golfgelände von Celtic Manor zur Fußballarena umfunktionierten, winkte er mal und putzte sich noch mal die weißen Schuhe sauberer. Ein Spottname hier: „Der deutsche Golfingenieur“.

Kaymer fand auch wenig Erwähnung jenseits der Statistiken. Nicht in den Medien, nicht bei der Fernsehübertragung, nicht bei Teamkapitän Colin Montgomerie. Der lobte am Sonntagabend nach „einem der besten Tage für das europäische Golf“ (5,5 von 6 möglichen Punkten) euphorisch jeden Einzelnen namentlich, Kaymer vergaß er. In der Pressekonferenz saß der Deutsche wortlos am Rande. Niemand fragte ihn irgendwas, als sei er unsichtbar. Ein Tarnkappengolfer.

Erst bei der Siegestoberei Minuten nach der Entscheidung verlor auch der sonst so gefasste Düsseldorfer fast die Contenance. Man sah reichlich herzliche Freudengesten auf dem 18. Grün. Kaymer reckte die Faust in Richtung der tosenden Menschenmenge, hielt mit dem grandiosen Senor-Senior Miguel Angel Jiménez aus Spanien (46) die Europafahne in die Höhe und überschüttete sich später bei der Party auf dem Klubhausbalkon selbst mit Schampus.

Verständlich nach der Dramatik, die der 38. Ryder Cup geboten hatte. Lange hatten die Europäer am Montag klar geführt, dem US-Team drohte eine der saftigsten Niederlagen der Geschichte. Doch ihre Altstars Steve Stricker, Steward Cink, Phil Mickelson und Tiger Woods punkteten noch, und das nach teils großem Rückstand. Das hitzige Prestigeduell drohte sich zu wenden und für die Europäer zu einem tragischen Drama zu werden.

Nur noch ein Paar war unterwegs. Aller Druck lag allein bei Graeme McDowell im letzten Einzel gegen Hunter Mahan. Ein Unentschieden hätte dem Titelverteidiger USA genügt, und auch der Nordire verspielte seinen komfortablen Vorsprung nahezu gänzlich – bis zum vorletzten Loch, dem 503. von 504 des ganzen Turniers. Doch McDowell gewann das Loch, die Europäer den Ryder Cup und die Zuschauer röhrten los wie die Tribüne in einem Fußballstadion, wenn in Minute 89 der Siegtreffer fällt. Tausend teils bis zu den Knien dreckverschmierte Golffans umarmten sich im tiefen Matsch. „Ich war noch nie so nervös“, sagte McDowell, „so etwas habe ich im Leben noch nicht gefühlt, ich konnte kaum noch den Schläger halten.“ Hunter Mahan weinte.

Der späteste, längste und sumpfigste Ryder Cup aller Zeiten hatte nach Regengüssen, Sturm, Sturzbächen, einem fantastischen Regenbogen am Sonntag am Montag sogar noch einmal Neues geboten: dichten Nebel. Spieler wie Zuschauer konnten eine Stunde lang Golf mehr hören als sehen. Der Ball flog ins Ungefähre, erst der Jubel aus der milchigweißen Wand ließ das Ergebnis erahnen. Dann gab es bis zu McDowells Showdown strahlenden Sonnenschein. Das Terrain neben den Fairways sah am Ende aus wie ein Panzerübungsplatz.

Später am Abend wirkte Martin Kaymer sehr nachdenklich. „Die Erwartungen an mich waren sehr hoch. Und ich hatte von mir noch mehr erwartet als Medien, Freunde, Familie.“ Vielleicht sei das zu viel gewesen. Seine Schläge will er im Detail analysieren, sagte der freundliche Golfpedant. „Eigentlich“, ließ er staunen, „war ich noch nie richtig gut im Matchplay“, also im Lochwettspiel, in dem der Ryder Cup ausgetragen wird. Und die fehlende Euphorie, die offensichtliche Distanz zu Teamkameraden und Fans? „Das ist Typsache. Ich will das auch gar nicht so.“ Die Schlussfolgerung der taz, dass er also der falsche Mann am falschen Ort war, fand Kaymer „ziemlich gemein“.

Aber, stellte er noch klar, „es war nicht meine Woche, es war die des Teams. Und wir haben gewonnen“. Sein charismatischer Teamchef Colin „Monty“ Montgomerie war nach dem „Magic Monty Monday“ sowieso kontinental überwältigt: „Ich bin so stolz, es ist ein sehr stolzer Moment für uns alle in Europa. Der Sieg bedeutet die Welt für uns.“

Vor allem bedeutet er einiges für das Kräfteverhältnis der beiden rivalisierenden Golfwelten. Die geldmächtige US-Tour diktiert mit ihrer neuen FedEx-Serie den Turnierplan, weshalb erst im Oktober Platz war für den Ryder Cup und der dann fast ertrunken wäre. Die Debatten darum sind nun neu eröffnet.

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