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hamburger szeneEine materielle Erfahrung

Es ist fast Mitternacht und der Bus Nummer 4 surrt wie ein Leuchtkäfer durch die Nacht. „Was ist das für ein Handy?“, sagt der Junge vorne rechts zu seinem Gegenüber. „Vodafone“, sagt der andere. Der Erste trägt seine blonden Haare in einem freundlichen Topfschnitt, der andere hat ein unspezifisches T-Shirt an und hält den Leinenbeutel auf seinem Schoß sehr fest. Man würde annehmen, dass Luhmanns „Einführung in die Systemtheorie“ darin ist oder Foucaults „Ordnung der Dinge“. Sicher ist, dass der Blonde vor allem selber sprechen möchte.

„Oh, das ist das teuerste“, sagt er. „Meine Eltern haben gerade meinen Festnetzanschluss gesperrt.“ Niemand fragt den Blonden, warum sie es getan haben, also erzählt er es ungefragt. „Ich habe für 500 Euro mit Frauen telefoniert. Aber ich bin nicht gekommen“. Er sagt: „Sauerei“ und dann wird er grundsätzlicher: „Auch aus materieller Erfahrung wird man reich.“

Der Leinenbeutel-Freund schweigt immer noch. „Ich wollte mir eigentlich ein Elektroschlagzeug kaufen“, fährt der Blonde fort. Er sagt, dass ein anständiges mindestens 500 Euro koste. „Jetzt sagen meine Eltern, dass ich es mir zu Weihnachten und zum Geburtstag wünschen kann.“ Der Blonde scheint das ungerecht zu finden.

Die Leute im Bus gucken vor sich hin mit dem Blick,der in öffentlichen Verkehrsmitteln opportun ist und bei dem man nie wissen wird, ob sie interessiert zuhören oder verdämmern. Die beiden Jungs steigen am Dammtor aus und der Rest folgt ihnen schweigend. Friederike Gräff

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