: Die Stockholmer wählen frische Stadtluft
Mehrheit stimmt für City-Maut. Nach Oslo und London wird Stockholm Europas dritte Hauptstadt mit Mautsystem
STOCKHOLM taz ■ Stockholm wird nach Oslo und London Europas nächste Hauptstadt, die eine Straßenmaut einführt. So steht es jedenfalls zu erwarten, nachdem eine Mehrheit der StockholmerInnen diese am Sonntag im Rahmen einer Volksabstimmung absegnete. Beim gleichzeitig mit den Parlamentswahlen abgehaltenen Referendum stimmten 53 Prozent für eine dauerhafte City-Maut. Versuchsweise hatten sich die StockholmerInnen schon einmal vom Januar bis Juli an diese Maut gewöhnen können.
Die Volksabstimmung hat zwar nur „beratenden“ Charakter. Letztendlich bestimmt der Reichstag. Doch es spricht viel dafür, dass dieser auch mit seinen neuen Machtverhältnissen das Votum der StockholmerInnen respektiert. Dann wird es ab nächstem Jahr je nach Tageszeit zwischen umgerechnet rund 1,10 und 2,20 Euro kosten, die ringförmig die Innenstadt umgebenden Mautstationen zu passieren. Der Höchstbetrag liegt bei 6,50 Euro – halb so viel wie in London.
Hatte sich im Januar noch eine klare Mehrheit der StockholmerInnen gegen die Maut ausgesprochen, drehte sich das Meinungsbild in der Versuchsperiode zunehmend um. Weil es weniger Staus gab, kamen die Autofahrer teilweise doppelt so schnell als vorher an ihr Ziel. Und die InnenstadtbewohnerInnen freuten sich über ein Viertel weniger Autoverkehr. Damit wurde das Ziel einer Verkehrsminderung von 10 bis 15 Prozent weit übertroffen.
Der parallel zur Mauteinführung kräftig ausgebaute öffentliche Nahverkehr schluckte die zusätzlichen PendlerInnen ohne Probleme. Die von vielen Geschäftsleuten in der Innenstadt befürchteten Umsatzeinbußen traten nicht ein. Stattdessen sank in der Innenstadt der Ausstoß von Kohlendioxid und flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen wie dem krebserregenden Benzol um jeweils 14 Prozent, der Ausstoß schädlicher Partikel um 10 Prozent. Und auch bei der Zahl von Autounfällen mit Personenschaden gab es ein Minus zwischen 5 und 10 Prozent.
Die Einnahmen aus der Maut gerieren einen Überschusses von jährlich rund 90 Millionen Euro. Die bisherige rot-grüne Mehrheit wollte die Einnahmen vor allem in den öffentlichen Nahverkehr investieren. Die konservativ-liberalen Parteien, die nun sowohl im Land wie wie in Stockholms Kommune die Macht übernehmen, werden das Geld vermutlich vor allem in den Straßenbau stecken.
Auch um die Datenschutzproblematik, die vor allem zu Beginn des Mautversuchs die Diskussion beherrschte, ist es still geworden. Die Kameras an den 18 Mautstationen fotografieren das Kennzeichen jedes Fahrzeugs. Ein Datensystem ordnet diese automatisch dem Halter zu. Gespeichert werden die Daten 45 Tage lang. Nach Bedenken der Datenschutzinspektion ist nun technisch sichergestellt, dass tatsächlich nur Kennzeichen, aber nicht Fahrzeuginsassen auf den Bildern landen können. Die Polizei hat gegenwärtig das Recht im Rahmen ihrer Fahndungsarbeit für eine Reihe schwererer Straftatbestände auf diese Daten zuzugreifen. Eine gerichtlicher Klärung dieser Frage steht noch aus. REINHARD WOLFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen