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„AFD ist gefährlich“

VORTRAG Ein Soziologe über den Rechtspopulismus der „Alternative für Deutschland“

Andreas Kemper

■ 50, Soziologe und Publizist. Zuletzt erschien: Rechte Euro-Rebellion. Alternative für Deutschland und Zivile Koalition e.V. (Edition Assemblage 2013).

taz: Herr Kemper, wie ernst muss man die „Alternative für Deutschland“ nehmen?

Andreas Kemper: Inhaltlich kann man sie nicht ernst nehmen. Aber die AFD ist gefährlich. Wenn man den Umfragen glaubt, könnten fünf bis sechs Personen ins Europaparlament einziehen. Personen, die ich für problematisch halte.

Inwiefern?

Das wird klar, wenn man sich anschaut, was im Europawahlprogramm der AFD etwa zu Genderfragen steht: Das Gendermainstreaming soll weg, die staatliche Bezuschussung von Genderforschung, die AFD ist gegen jede Quote. Bei der Ausländerpolitik strebt die AFD eine Verschärfung an. Menschen, die keine Steuern eingezahlt haben, sollen keine Sozialhilfe mehr bekommen. Die AFD demonstriert gegen Abtreibung, Homoehe oder frühkindliche Sexualerziehung.

Überschreitet die AFD damit demokratischen Grenzen?

Die AFD will auch demokratische Entscheidungsstrukturen ändern. Sie wollen eine direkte Demokratie. Bundeskanzler oder Bundespräsident sollen vom Volk direkt gewählt werden.

Also wollen sie mehr Mitbestimmung von unten?

Das hat nichts mit Basisdemokratie zu tun, sondern geht in Richtung Bonapartismus, in Richtung einer Volk-Führer-Struktur: Die AFD will Regelungen abschaffen, die die Alliierten nach dem 2. Weltkrieg eingeführt haben, damit das deutsche Volk nicht wieder direkt einen Führer wählen kann. Einige in der AFD wollen auch die betriebliche Mitbestimmung abschaffen, das Streikrecht oder auch den Kündigungsschutz. Sie überlegen, wie man die Leistungsträger vor der angeblichen Tyrannei der Mehrheit schützen kann. Für Minderheiten ist das alles gefährlich.  Interview:jpb

19 Uhr, Bürgerhaus Vegesack

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