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TAZ-SERIE (Teil 2): WIE HALTEN SIE ES MIT DEM FLIEGEN?„Fliegen tue ich oft. Aus der Kneipe. Haha! Nee, stimmt nicht“

LUFTVERKEHR 2012 wird der Großflughafen BBI eröffnet. Die Frage, wo die Flugzeuge lärmen werden, erhitzt die Gemüter. Aber es gibt nicht nur Betroffene – die meisten sitzen auch mal selbst im Flugzeug. Oder? Die taz hört sich während der Herbstferien um

Kai Färber*, 57 Jahre, Wedding: „Ich bin oft am Flughafen Tegel. Zwei-, dreimal die Woche bestimmt. Aber nicht zum Fliegen. Zum Flaschensammeln. Am Flughafen kann man Leute kennenlernen. Die Kinder weinen. Frau und Mann streiten sich. Dann wissen sie nicht, wohin mit dem Gepäck, und alles so was.

Wohnen tu ich im Wedding. Ich war mal Tischler. Flugreisen sind bei Hartz IV nicht drinne. Det können sich nur Rentner und Geschäftsleute leisten. Wenn es gut läuft, bringt mir das Flaschensammeln am Flughafen 20 Euro ein. Aber ich bin nicht der Einzige. Manchmal sind 30 Leute unterwegs. Dann haue ich ab. Ich laufe doch nicht fünf, sechs Stunden rum und habe am Ende nur 3 Euro in der Tasche. Jetzt ham se das Hartz ja um 5 Euro erhöht. 5 Euro! Das sind zwanzig Flaschen!

Fliegen tue ich oft. Aus der Kneipe. Haha! Nee, stimmt nicht. Einmal in meinem Leben bin ich richtig geflogen. Nach Frankfurt am Main. Da muss ich fünf, sechs Jahre alt gewesen sein.

Zum Flughafen Schönefeld fahre ich nicht raus. Das ist mir zu weit. Außerdem ist es da nicht so human wie in Tegel. Wenn man sich da länger als ’ne halbe Stunde im Flughafengebäude aufhält und man ist kein Reisender, wird man rausgeschmissen. In Tegel isses lockerer. Man kennt sich. Auch die Polizisten.

Wo ich hinfliegen würde, wenn ich könnte? Ich weiß nicht. Ich bin froh, wenn ich die Flaschen für meinen Tabak, mein Bierchen und mein Mittagsessen zusammenhabe. Vielleicht nach Honolulu?

Leon Kaiser*, 10 Jahre, Prenzlauer Berg:

An meinen ersten Flug kann ich mich nicht erinnern. Aber ich habe Fotos. Da war ich zwei Wochen alt. Wir sind nach London geflogen. Ich bin schon ganz oft geflogen. Ich hab es nicht gezählt. Mit Hin- und Rückflug vielleicht zehnmal im Jahr. Manchmal fliege ich am Wochenende zu den Großeltern.

Mein Vater ist Journalist. Meine Mutter ist Künstlerin. Wir fahren oft nach Istanbul und nach London. Wir fliegen immer. Mit dem Auto zu fahren ist irgendwie doof. Mein weitester Flug war nach New York oder Kuba.

Wenn wir weit wegfliegen, bin ich vorher noch aufgeregt. Sonst eigentlich nicht. Ich sitze immer am Fenster. Ich mag es, wenn man rausgucken kann. Die Vogelsicht ist lustig. Manchmal gucke ich auch von unten hoch, wenn ich ein Flugzeug höre. Man sieht gar nicht, dass sie so schnell fahren.“

PROTOKOLL: PLUTONIA PLARRE

*Namen geändert

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