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Operation „Breite Brust“

Um für den FC Barcelona gewappnet zu sein, stellt Werder-Coach Thomas Schaaf um. In der heutigen Champions-League-Partie wollen die Bremer „mutig“ sein und sich „nicht verstecken“

AUS BREMEN FRANK HELLMANN

Die Zeiten der Beschaulichkeit sind längst passé. Früher, als Werder Bremen im Europapokal regelmäßig die Wunder von der Weser inszenierte, haben allerhöchstens ein, zwei Dutzend Schaulustige ein Abschlusstraining verfolgt. Trainer Otto Rehhagel kannte die rüstigen Rentner am Trainingsplatz 10 persönlich, Größen wie Rudi Völler marschierten meist unbehelligt im Baumwolltrainingsanzug zur Kabine. Das ist vorbei. Rehhagel-Zögling Thomas Schaaf wich auch gestern auf das umzäunte Areal am Osterdeich aus, um seine Ruhe zu haben. Doch als Miroslav Klose vor dem Champions-League-Hit gegen den FC Barcelona (20.45 Uhr/DSF) zum Parkplatz schlenderte, kreischten die Kids. Zückten Handykameras, zelebrierten den Starkult.

In Bremen herrschte wieder einmal ein bisschen was von Ausnahmezustand, schließlich gilt das katalanische Starensemble als das Beste, was der europäische Klubfußball derzeit zu bieten hat. Wie Werder dagegen angehen will? „Das geht nur, wenn wir mutig sind und uns nicht verstecken“, antwortet Kapitän Frank Baumann ungewohnt forsch. Wenn nämlich die Eindrücke auf dem Trainingsplatz nicht täuschen, tritt sein Trainer die verzweifelte Flucht nach vorne an und wirbelt seine bisher nicht sonderlich überzeugende Formation gehörig durcheinander.

Baumann rückt demnach für den formschwachen Finnen Petri Pasanen in die Innenverteidigung, Torsten Frings („Wir müssen sie beschäftigen“) wie bei der WM auf seine Lieblingsposition vor der Abwehr. Weitere avisierte Änderung: Tim Borowski probiert es im Mittelfeld halbrechts, halblinks kommt der zweikampfstarke Christian Schulz in die Mannschaft. Und im Angriff wird das enttäuschende Duo Zidan/Almeida durch den K&K-Sturm – namentlich Ivan Klasnic und der wieder genesene Miroslav Klose – ersetzt. „Das sind Sachen, die man überlegen muss“, sagt Schaaf, er wolle damit Möglichkeiten aufzeigen, „die wir im Spiel verändern können.“

„Immerhin waren wir letztes Jahr nah dran und haben vielleicht daraus gelernt. Durch einen Punktgewinn oder auch durch einen Sieg kann man ja möglicherweise wieder eine richtig breite Brust bekommen“, sagt Sportdirektor Klaus Allofs. Bremen wartet nach den Misserfolgen und Missstimmungen der jüngsten Zeit auf eine Befreiung. „Barcelona wäre dazu die beste Gelegenheit“, sagt auch Vorstandsboss Jürgen L. Born. „Wir haben zwar die Gruppe mit den beiden besten europäischen Teams erwischt“, führt Allofs aus, „aber auch Barcelona ist nicht perfekt.“

Dennoch wirken derlei selbstbewusste Töne in diesem Tagen seltsam unglaubwürdig. Für den Betrachter sind die teils hausgemachten Probleme nicht gelöst: Der Kameruner Pierre Womé outet sich bislang als wortkarger Einzelgänger, die schleppende Integration der Portugiesisch sprechenden Clique um die Brasilianer Diego, Naldo und den Portugiesen Hugo Almeida ist sogar vom besonnenen Baumann angeprangert worden, und den Nationalspielern Frings und Borowski hat die interne Kritik mehr zugesetzt als viele glauben.

Born ist übrigens mit dem gerade im Amt bestätigten Barca-Präsidenten Joan Laporta gut befreundet, beide kennen sich über einen Anwalt aus Paraguay bereits seit geraumer Zeit. Vielleicht rühren daher auch die Komplimente, die Ronaldinho („Klose ist ein toller Stürmer“) oder Deco („Bremen war im Vorjahr der stärkste und unangenehmste Rivale der Vorrunde“) brav über den heutigen Gegner äußern. Heute tauscht Werders Führungsspitze mit der Barca-Delegation beim gemeinsamen Essen im Bremer Parkhotel wieder Nettigkeiten aus, dabei wird sogar rücksichtsvoll auf den obligatorischen Kohl und Pinkel verzichtet. „Dafür ist es noch zu früh, außerdem will ich den Barca-Boss nicht schon mittags beim Essen erschrecken“, erklärt Born, „es reicht, wenn wir das abends im Stadion tun.“

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