urdrüs wahre kolumne: So ziehet mit Gott!
Vor der Kröpcke-Uhr in Hannover stürzte dieser Tage vor meinen Augen eine mutmaßlich alkoholisierte Dame in relativ professioneller Aufmachung zu Boden. Beim Versuch, der Lady wieder auf die stöckelschuhbewehrten Beine zu helfen, sah ich mich plötzlich einem wahren Blitzgewitter von mehreren Handykameras ausgesetzt, und das, obwohl zusätzliche Unterstützung bei meiner Rettungsaktion hochwillkommen gewesen wäre. Einer der Fotografen erklärte unaufgefordert, Leserreporter der Bild zu sein und sah genauso abgefuckt aus, wie ich mir diese Kreaturen immer schon vorgestellt habe. In heißer Wut bedrohte ich ihn daraufhin mit eiskalter Stimme durch die Ankündigung, ihm bei einer eventuellen Publikation dieses Schnappschusses seine primären Geschlechtsmerkmale unwiderruflich zu demolieren und bin jetzt sehr gespannt, ob diese potenzielle Einmischung in seine Familienplanung auf das Bürschel hinreichenden Eindruck gemacht hat …
Seit 50 Jahren betreibt die evangelische Kirche nunmehr von Bremen aus Seelsorge für Drückeberger, Pisspottschwenker und Spasti-Sklaven, kurz: für Zivis respektive Kriegsdienstverweigerer. Und in das Dreifach Hoch auf diesen Dienst im Auftrag des Jesus von Nazareth mischt sich sogleich ein hochprozentiger Verachtungsschluck und der Hinweis an die Herren Militärdekane und Feldgeistlichen, dass durch das Schwert umkommen wird, wer Berufsmörder auf ihrem Weg an die Front mit dem Segen des Herrn bekleckert – sei es von Kiel, Wilhelmshaven oder anderswo.
In einer meditativen Überlegungsphase kam mir dieser Tage ein, wie ich meine, trefflicher Gedanke zu einer sinnstiftenden, gesunden und zugleich auch attraktiven Beschäftigungsmaßnahme für Ein-Euro-Kräfte: Nach Eröffnung des neuen Jakobs-Pilgerwegs bei Stade könnten durch Berufstätigkeit verhinderte Sünder diese Strecke in ihrem Namen und Auftrag durch Wanderer vom Jobcenter abschreiten lassen, wobei natürlich Wegzehrung und Übernachtungskosten zusätzlich übernommen werden müssten – man hätte sie ja als Pilgerer auf eigenen Füßen auch. Nach richtig schlimmen Sachen könnte man die Hartz-IV-Wanderer in ihrer stellvertretenden Funktion natürlich auch bis nach Santiago de Compostela ziehen lassen – größere Sünden bringen zumeist ja auch mehr Geld ein und so rechnet sich das dann …
Können sich die notorischen Schützer der doitschen Sprache und Fundamentalgegner jeder Rechtschreibreform nicht mal nützlich machen und jene Neumünsteraner Nazi-Stinker bei der Reichsschrifttumskammer wegen anglizistuischer Verlotterung anschwärzen, die jetzt zum Jubiläum ihres Heileheile-Hitlerclubs zu „Live Musik und Cocktails“ bitten, statt zum gewohnten Mischgetränk aus Met und Gülle?
Da ich durch anderweitige Verpflichtungen verhindert bin, grüße ich in glühender Zuneigung alle jene, die am kommenden Montag das 20-jährige Bestehen der Lokal-taz Bremen in der neuen Redaktionsstube an der Schlachte 2 feiern, weise Stammbesucher meines Kabaretts der Literarischen Gewalttätigkeiten in der Bremer GaDeWe daraufhin, dass die heurige Saisoneröffnung „Wir waren Helden – und ihr sollt es auch sein!“ zum ersten Mal seit 17 Jahren nicht am gewohnten Freitag, sondern am Samstag, dem 7. Oktober, stattfindet und verbleibe bis zur nächsten Woche als Dein und IhrULRICH „URDRÜ“ REINEKING
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