die taz vor 15 jahren zu hoyerswerda: Nicht der Mob ist bedrohlich, sondern Neonazis im Parlament:
War es das erste Pogrom nach 1945 in Deutschland, oder fehlte der Jagdzeit auf Ausländer dafür die definitionsbedingte Duldung oder Billigung durch den Staat? Was erschreckt, sind folgende Fakten: Ein randalierender Mob wird von der hilflosen, die Situation verkennenden Polizei nicht behindert, sondern durch Sympathiebekundungen einer großen Zahl von Bewohnern unterstützt. Diese Demonstration von Fremdenhaß war bisher in der Öffentlichkeit in Deutschland nach 1945 unbekannt. Der gefürchtete „häßliche Deutsche“ zeigt offen sein Gesicht und schämt sich nicht einmal.
Die Politik ist zum Entscheiden aufgerufen. Dem bedrohten Asylbewerber muß geholfen werden. Schnell und unbürokratisch. Auch wenn damit eine Vergrößerung der Verwaltung verbunden ist. Die Verpflichtung muß aus humanitären Gründen bestehen, nicht nur angesichts der Vergangenheit dieses Landes.
Gibt es eine Bedrohung der jungen deutschen Demokratie von Ereignissen wie Hoyerswerda? Nicht von steinewerfenden, brandsatzlegenden Kriminellen. Die Gefahr entsteht aus der Allianz der Unzufriedenen, der fremdenfeindlichen Sympathisanten und dem kriminellen Mob. Wird diese Gruppe parteipolitisch kanalisiert, findet sie eine starke Vertretung, haben wir nach den nächsten Wahlen einen faschistischen Block in jedem Parlament. Von dieser Gruppierung und ihrer parlamentarischen Plattform geht Gefahr aus.
Artur Süsskind, Mitglied der Jüdischen Gemeinde Berlin, in der taz vom 7. 10. 1991
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