: Vietnamesischer Fahnenstreit
betr.: „Geteilte Stadt auf Vietnamesisch“, taz vom 4. 10. 06
Ich finde die Gruppeneinteilung: hier vietnamesische „Bootsflüchtlinge“ und dort vietnamesische „Vertragsarbeiter“ im Artikel von Marina Mai unerträglich. Was will Frau Mai uns damit sagen? Dass die Vietnamesen in Deutschland (und in Vietnam?) eigentlich immer noch eine geteilte Nation sind?
Bei dem Flaggenstreit handelt es sich um tiefe politische Differenzen und Erfahrungen, die Menschen mit dieser Fahne gemacht haben. Dies ist keineswegs ein Gegensatz von Nord- und Südvietnam, die ja seit 30 Jahren wiedervereinigt sind.
Das Nebeneinanderhängen der Fahne Vietnams und der „Fahne des alten Saigoner Regimes“ ist vergleichbar mit dem Nebeneinander der Fahne der Bundesrepublik und der Hakenkreuzfahne des faschistischen Deutschlands. Ich kann die Vietnamesen also gut verstehen, die diese südvietnamesische Fahne nicht sehen wollen.
Deshalb ein paar Worte zu der Fahne selbst: Die gelbe Fahne mit den roten Streifen ist das Symbol des Saigoner Regimes – eingesetzt 1954 durch die USA unter Bruch des Genfer Indochinaabkommens. Dieses Regime unter Ngo Dinh Diem und all seiner tyrannischen Nachfolger steht für viele Vietnamesen für Unterdrückung, Folter, Tigerkäfige. Gegen die Unterdrückung von Diem gründete sich im Dezember 1960 die Nationale Befreiungsfront (FNL). Die FNL setzte sich aus zahlreichen Parteien und Vereinigungen zusammen mit dem Ziel der Einhaltung des Genfer Indochinaabkommens, der Durchführung freier Wahlen und der Befreiung von ausländischer Unterdrückung (USA). Ihre Fahne war übrigens rot-blau mit dem gelben Stern. Sie war vom 30. 4. 1975 bis zur Wiedervereinigung im Juli 1976 übrigens die offizielle Fahne Südvietnams.
Diejenigen, die die gelbe Fahne mit den roten Streifen herausholen, habe ich als stramme Anhänger des Saigoner Militär- und Verwaltungsapparats kennen gelernt. Diese sind allerdings nur ein Teil der Bootsflüchtlinge.
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch im Westen der Republik nur ein kleiner Teil der Vietnamesen die Saigoner Fahne als ihre Fahne betrachten. STEFAN KÜHNER, stellvertretenderVorsitzender der Freundschaftsgesellschaft Vietnam, Düsseldorf
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
