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schrankschnüffler von ILKE S. PRICK

„Zing“ macht es, und „krawusch“ macht es, und dann macht es erst mal gar nichts mehr. Also fast gar nichts mehr, wenn man mal von Beates gequältem „O mein Gott! Nein!! So eine Scheiße!!!“ absieht, das hinter der geschlossenen Klotür zu hören ist. Gisela grinst. „Pass auf, gleich geht’s los: Es tut mir ja so leid!“, wispert sie, wirft sich auf dem Sofa in Positur, und prompt echot Beate bereits im Flur: „Es tut mir ja sooooo leid!“ Sie hält eine zerbrochene Parfumflasche wie einen Trostpreis in die Höhe. „Ich wollte doch nich … aber dann plötzlich … ich konnte gar nicht mehr … “, näselt sie, tränenumflort.

Gisela winkt gnädig ab. „Ist nicht so schlimm. Hauptsache, du hast dich nicht geschnitten.“ Beate beginnt aufzuatmen, doch zu früh gefreut. Giselas Satz geht nämlich weiter: „Das gibt’s zwar nur in Amerika und ist sauteuer“ – zong! – „aber vielleicht fliegt ja irgendwann mal wieder jemand rüber.“ Sie seufzt theatralisch. Blick aus dem Fenster.

Ich wusste gar nicht, dass ihre Parfumsammlung so exquisit ist. „O, aber …“, stottert Beate entsetzt. „Ach, ach“, stoppt Gisela sie und tätschelt ihr den Arm. „Die Flasche stand vielleicht auch ein bisschen ungünstig. Ich meine, wenn man den abgeschlossenen Teil des Spiegelschranks aufmacht, die Nachtcreme rausnimmt, den ganzen Nagellack zur Seite schiebt, um die Kondome durchzuzählen, steht sie einfach im Weg.“

„Hmpf“, macht Beate und starrt ertappt auf die Scherben, bis ihr plötzlich einfällt, dass sie sowieso dringend losmuss. Jetzt sofort. Fast vergessen: Wichtiger Termin! Und Tschüss zusammen. Lavendel, Oleander, Jasmin. Seltsam, an irgendwas erinnert mich das hier.

„Tosca!“, grinst Gisela zufrieden, als die Haustür ins Schloss gefallen ist. „Tosca?“, wiederhole ich ungläubig. Sämtliche Kindheitserinnerungen laufen Amok. „Aber …“ Die Flasche, die meine Oma vor ihren Seniorennachmittagen so großzügig über der Sonntagsgarderobe entleerte, sah doch irgendwie anders aus. Und aus Amerika kam die auch nicht.

„Ja, Tosca!“, wiederholt Gisela kichernd. „Muss ja nicht immer drin sein, was draufsteht, oder? Glaubst du ernsthaft, ich lasse wirklich wichtige Sachen im Badezimmer, wenn Beate kommt?“ Sie schüttelt den Kopf.

„Schrankschnüffler erkenne ich auf zehn Meter. Das kannst du mir glauben! WGs schärfen den Blick. Und nachdem in meiner letzten sämtliche Cremetöpfe nur noch halb so lange gehalten haben, bin ich gewappnet.“ Gisela kichert. „Damals habe ich einfach mein Henna-Shampoo in eine Kurspülung für feines Haar gefüllt. Was meinst du, wie süß das aussah, als meine sonst so naturblonde Mitbewohnerin morgens am Frühstückstisch saß. Mit karottenroten Haaren.“ Sie schwelgt genüsslich in der Erinnerung. „Diesmal stand eben das Parfum auf Kippe. Der Deckel saß nicht fest. Und ‚Per donna‘ hieß es ja auch nicht.“

„Aber sonst hast du keine Fallen gelegt?“, frage ich besorgt. „Haare vielleicht? Oder Staub?“ Ich kenne mich aus. Ich schau schließlich CSI-Miami. „Keine Sorge.“ Sie zögert. „Jedenfalls nicht im Badezimmer.“ Ich nicke ungemütlich. Eins ist klar: Demnächst werde auch ich etwas vorsichtiger sein, wenn ich mich bei Gisela mal wieder langweile.

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