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Eine Stimme für die Kunst

KÜNSTLER Der neue Atelierbeauftragte Florian Schmidt gilt als stadtpolitisch engagiert – und warnt vor einer Verdrängung der Kreativen aus der Innenstadt

Für die prekären Kreativen ist Schmidt eine gute Nachricht

Wohin sollen Berlins Künstler? Auf diese Frage, die in Zeiten steigender Mieten und schwindenden Leerstands in der Innenstadt immer drängender wird, will Florian Schmidt eine Antwort finden. Schmidt ist neuer Atelierbeauftragter des Landes, ein Posten der angesiedelt ist beim Kulturwerk des Bundesverbands Bildender Künstler (bbk). Der Stadtsoziologe wird als Nachfolger von Florian Schöttle über die Vergabe und Verwaltung der 800 landeseigenen Ateliers wachen – und sich für die Belange der rund 6.000 Künstlerinnen und Künstler in der Stadt einsetzen.

Nicht nur Lobbyist

Bei seiner Antrittsrede vor Pressevertretern und Kooperationspartnern im Kunstraum Kreuzberg am Mittwoch stellte Schmidt klar, dass er mehr sein wolle als ein bloßer „Atelier-Lobbyist“. Er werde auch weiterhin politisch aktiv bleiben, etwa in der Initiative Stadt Neudenken, die er mitgegründet hat, oder im Runden Tisch Liegenschaftspolitik.

Derart gut vernetzt könne er sich wirkungsvoll für die Berliner Künstler einsetzen. Und die hätten Beistand bitter nötig. „Die Verdrängung von Künstlern aus der Innenstadt wird immer dramatischer“, warnte Schmidt. Das Atelierförderprogramm des bbk müsse darum dringend ausgebaut werden. Hauptaufgabe des Programms ist die Subventionierung von Arbeitsräumen, damit Künstler maximal 4,09 Euro Miete pro Quadratmeter zahlen müssen.

Der Bedarf sei riesig, so Schmidt. Bei Atelierbesichtigungen erschienen bis zu 70 Interessenten. Gleichzeitig habe auch der bbk in den letzten Jahren Standorte im Zentrum aufgeben müssen. Aufgrund der Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum müssten Atelierräume immer häufiger auf Gewerbe- oder Industriestandorte in den Außenbezirken ausweichen.

Aber auch dort seien die vom bbk vertretenen Künstler, die im Durchschnitt über ein Jahreseinkommen von gerade einmal 12.000 Euro verfügten, nicht immer willkommen – „besonders private Eigentümer sagen häufig, dass Künstler nicht in ihr Konzept passen“.

Als Beispiel nannte Schmidt das Atelierhaus Mengerzeile in Treptow, dem nach 20 Jahren das Aus droht – dort sollen Wohnungen entstehen. „Was spricht gegen lärmfreie Kunst in Wohngebäuden?“, fragte Schmidt und kündigte an, den Dialog mit privaten Bauträgern und Eigentümern zu suchen.

Dialogfähigkeit wird Schmidt vor allem im Kontakt mit der Politik brauchen. Denn entgegen aller Lippenbekenntnisse ist der Rückhalt für diejenigen, die mit ihrer Arbeit den Ruf Berlins als Kreativstadt nähren, nicht groß – besonders der Liegenschaftsfonds hat sich eine radikale Entmietungspraxis gegenüber Künstlern angewöhnt.

Er sei zuversichtlich, eine gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Senats- und Liegenschaftsgremien zu erreichen, sagte Schmidt. Diesen Optimismus bremste der ebenfalls anwesende Bernhard Kotowski, Atelierbeauftragter von 1990 bis 1993 und zuletzt kommissarischer Beauftragter. In der Kulturverwaltung gebe es kein Interesse an einer systematischen Erfassung des Raumbedarfs – dass die Platznot der Künstler ein strukturelles Problem sei, werde ignoriert.

Herbert Mondry, Vorsitzender des bbk, nannte es einen Skandal, dass die Stadt nicht in der Lage sei, ihre Künstler zu halten – wenn nicht bald ein Umdenken stattfinde, sei die Kreativstadt Berlin erledigt.

Für die prekären Kreativen ist es sicher eine gute Nachricht, dass mit Schmitz ein Mann zum Atelierbeauftragten wird, der stadtpolitisch engagiert und in viele Richtungen gut vernetzt ist. Schmitz kündigte an, sich aktiv in den derzeit laufenden „Clusterungsprozess“ der landeseigenen Liegenschaften einzumischen: Eine solche Erfassung von Flächen und Räumen biete die einmalige Chance, die eigenen Interessen durchzusetzen: „Man muss nur laut genug ‚Hier!‘ schreien“, sagte Schmitz.

Dass seine Stimme kräftig genug ist, darauf ruhen ab jetzt die Hoffnungen von Berlins Künstlern. NINA APIN

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