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berliner szenen Porno-Karaoke

Mach mir die Welle

Irgendwann hat auch Henne es begriffen. Nervös schaut er auf die noch weiße Leinwand im Keller des Schwuz: „Wie? Pornofilme?“ Eine Spur Panik erhöht seine Stimme. Was er denn von einer Veranstaltung namens „Porno-Karaoke“ erwarten würde, will ich wissen. Mein bester Freund hebt hilflos die Schultern. Popmusik mit Stöhngeräuschen gibt einen Vorgeschmack auf den Soundtrack des Abends.

Die Reihen füllen sich mit Studenten und Partygängern. Irgendwann schwebt Biggy van Blond auf die Bühne, mit endlosen Beinen und knallengem Ledermini. Graziös schiebt sie sich eine Strähne Kunsthaar aus dem perfekt geschminkten Gesicht, blickt auf ihre Karteikarte und stellt „die Jury aus bekannten Sexjunkies“ vor. Schließlich ist das hier ein Wettbewerb.

Die gezeigten Blockbuster der Pornoszene heißen „Scharfe Flitzer und Megatitten“ oder „Invasion der Marsmösen“ und halten, was sie versprechen. Die Dekolletés im ersten Film erinnern an Babybadewannen, die der – natürlich grünen – Marsianerinnen im zweiten sind mit preußischen Pickelhauben leidlich verhüllt. „Ich hab nie wieder Sex“, flüstert Henne nach dem Streifen „Desperate Househusbands“.

Doch die Anspannung legt sich. Die semifreiwilligen Synchronisatoren geben zu dem Gewackel auf der Leinwand ihr Bestes. „Hach, ich bin schon ganz feucht!“, brummt eine Blondine im männlichen Bass bei einem Sprung in den Swimmingpool. Ihr Gegenpart feuert sie an: „Ja, mach mir die Welle!“ Eine endlos scheinende Körperölszene wird mit „Pass auf, dass du das Sofa nicht dreckig machst!“ kommentiert. Und eine gelangweilt vor sich hin lutschende Krankenschwester denkt an Lohnfortzahlungen und Riester-Rente.

LEA STREISAND

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