: Krise an sich, das kenne ich
SCHAUSPIELERIN Mira Partecke sucht sich ihre Rollen mit Bedacht aus. Sie arbeitet frei fürs Theater und für kleine, sehenswerte Filmproduktionen wie „Alle Anderen“, „Torpedo“ oder „Eine flexible Frau“. Ein Porträt
VON RENÉ HAMANN
Sie wirkt gar nicht so. Nicht so präsent, bildfüllend, stark. Eher zierlich, zurückhaltend, schüchtern. Mira Partecke ist Schauspielerin, bekannt von Volksbühnen-Inszenierungen, Schlingensief und Pollesch, von kleinen, sehenswerten Filmen wie „Der Letzte macht das Licht aus“, „Alle Anderen“ oder „Torpedo“ von Helene Hegemann. Wobei „bekannt“ sehr relativ ist. Frau Partecke bewegt sich mit Bedacht in einer bestimmten Szene, setzt sehr auf Selbstbestimmung, verfolgt eine Linie. Das ist ihr wichtig, dass man von außen eine Linie erkennen kann. Dass es nicht um den Beruf als solchen geht und um Beliebigkeit und Ruhmsucht.
Jüngst hat sie eine präsente, starke Frau gespielt in dem Debütfilm von Tatjana Turanskyj. Die Frau gerät in eine Krise, verliert ihren Job, wird systematisch gedemütigt, heuert in einem Callcenter an und stößt auch dort schnell an Grenzen. Sie lebt getrennt vom Vater ihres Sohns, der sich von ihr entfremdet hat. Freunde hat sie keine, nur den Alkohol. „Eine flexible Frau“ heißt der Film über eine selbstbewusste Frau, die unvermittelt einer von außen kommenden Krise ausgeliefert ist. Natürlich fragt man sich, wie Mira Partecke diese Frau hat spielen können. Wie viel von der Figur in ihr selbst steckt.
Sie ist bedacht
Aber Mira Partecke findet diese Frage komisch. Klar, Schauspielen ist ja irgendwie auch nur ein Job. Ein Auftrag, den man bekommt und den man möglichst gut auszufüllen versucht. „Grundsätzlich ist das ja nicht mein Leben, das ich spiele. Aber ich habe das Gefühl, dass viele das gern so hätten“, sagt sie. Sie arbeitet anders. Sie ist bedacht, sie ist vorsichtig. Sie geht von ihrer Erfahrung aus, gleicht ab, sieht, was ähnlich ist, was sie von sich selbst kennt, und benutzt das. Sie geht beim Spielen vom Abstrakten ins Konkrete: „Krise an sich, das würde ich akzeptieren. Krise an sich, das kenne ich. Verzweiflung an sich. Liebeskummer an sich. Angst an sich.“
Sie ist, genau wie die Figur, die sie in diesem kleinen, politischen Film spielt, der an die Anfänge der Berliner Schule erinnert, kurz davor, 40 zu werden und Bilanz zu ziehen, sich vielleicht neu ausrichten zu müssen. Gelernt hat sie in Bochum, seit 1995 spielt sie an großen Häusern, seit 2007 auch im Film. Aber: „Je länger man das macht, desto mehr merkt man, dass das was ganz anderes ist als das, was die anderen so machen“, sagt sie. „Dieses Leben als Schauspielerin. Das wird immer verrückter, je älter man wird, dass man das macht. Weil man mit der Zeit auch ein viel größeres Bewusstsein von Tod und Endlichkeit und so bekommt.“
Ausgerechnet Andrea Feldman ist so etwas wie ein Vorbild für Partecke. Feldman war ein Starlet in Warhols Factory, spielte bei mehreren Filmen mit und inszenierte im Alter von 24 Jahren ihren Selbstmord. Eine junge, schillernde Erscheinung im glamourösen Popkunstkontext der siebziger Jahre. Ein anderes Vorbild könnte Marilyn Monroe sein, auch eine Frau, die wusste, was Krise ist. Hier distanziert sich Partecke aber von dem einmal genannten Namen. Die Monroe ist halt gerade wieder medienpräsent. Als Typ, als Schauspielerin, als Figur stellte sie ganz was anderes dar. Mira Partecke stünde nicht zwischen Joe DiMaggio und Arthur Miller. Sie hat sich, bildlich gesprochen, längst für Miller entschieden. Mit all den Nachteilen, die das Entscheiden für Kunst abseits des Mainstreams bedeutet.
Konsequenz und Anspruch
Vielleicht ist „Eine flexible Frau“ die Rolle ihres Lebens, klammert man die Theaterengagements aus, die so wichtig wie flüchtig sind. „In unserem Beruf gibt es keine Sicherheiten. Seit ein paar Jahren arbeite ich frei, bin also nicht mehr im Ensemble.“
So ist sie bislang ohne Preis geblieben, obwohl sie wirklich gern mal einen bekommen würde. Aber lieber Konsequenz und Anspruch, wie gesagt, als Pragmatik. „Ich habe auch oft die Erfahrung gemacht, dass ich nicht funktioniere, wenn etwas nicht stimmt“, sagt sie. Was weniger auf Eigensinn als vielmehr auf ihr Gespür für Logik und Unbestechlichkeit beruht.
Sie ist eine Schauspielerin, die manchmal gegen sich selbst arbeitet. Die gern diskutiert und einen eigenen Kopf hat. Die aber alles machen kann, wenn es stimmt. Bei Turanskyjs Drehbuch und Regie stimmte alles. Sie hat sich auch nicht von Laura Tonke beeindrucken lassen. Sie lässt sich nicht beeindrucken. Sie ist einfach anders, hat eine andere Präsenz, eine andere Ausstrahlung. Tonke gibt in „Die flexible Frau“ ihren Gegenpart, Gegnerin der Figur, die Partecke spielt. Tonke spielt die Chefin des Callcenters. Vor einigen Jahren saß Laura Tonke hier in diesem Café in der Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Und schwankte zwischen Pragmatik, Kunst und Klage, was ihre Karriere betrifft. Mira Partecke klagt nicht. Sie schwankt auch nicht. Klar kann sie damit kokettieren, eine Rolle in einer flachen TV-Stapel-Produktion anzunehmen, macht es dann aber lieber doch nicht.
Allerdings kann auch sie anders: „Ich habe gerade eine Komödie gedreht, ‚Arschkalt‘ von André Erkau. Das hat mir sehr gut gefallen. Was ich nämlich auch gut spielen kann, ist die Naive, Unschuldige.“ Glaubt man ihr sofort.
■ „Eine flexible Frau“ wird am 7. 11. um 21.30 Uhr im Zeughaus-Kino gezeigt. Der reguläre Filmstart ist für Anfang Januar geplant
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