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NEUES AUS NEUSEELAND: LEBENSRAUM FÜR HOBBITS

VON ANKE RICHTER

Als John Key, unser international recht unbekannter Premierminister, kurz nach seinem Amtsantritt bei David Letterman eingeladen war, musste er als Abschiedsgag die „Top Ten“-Gründe benennen, warum man als Tourist Neuseeland bereisen sollte. Einer der originellen lautete: „Ich hole Sie persönlich vom Flughafen ab.“ Kein Scherz, sondern leider wahr: Letzte Woche schickte der übereifrige Landesvater gleich seine Limousine los, um die Filmmogule von Warner Brothers frisch von der Landebahn einzusammeln. So sind sie, die Kiwis. So nett.

Ob sich John Key auch, wie damals beim Besuch von Prinz William, für die hohen Gäste zuhause in der Grillschütze vor den Barbecue stellte, ist nicht bekannt, aber fest steht: Die kleine Geste wirkte, wo es ums Große geht. Dazu kamen 100 Millionen Dollar aus der Staatskasse. Nun ist der Handel zwischen Hollywood und Wellington besiegelt. Alle atmen auf, der Mediensturm ist vorbei, die Einkünfte der halben Nation fürs nächste Jahrzehnt sind gesichert. Die Sonne scheint über der Südhalbkugel noch immer strahlend aus dem Norden, denn Peter Jackson, unser Erlöser, verlässt uns nicht für ein Billiglohnland wie die Tschechische Republik.

Für diejenigen, die immer noch nicht wissen, worum es hier geht: „Der Hobbit“ (Film) bleibt bei uns, denn da gehört er hin, so wie der Dom nach Kölle. Denn „Der Hobbit“ (Buch) mag vielleicht ursprünglich ein Geschöpf des ollen Tolkien sein – jetzt ist er denkmalgeschütztes Kulturgut Aotearoas. Erneut vor die Filmkameras getrieben werden darf das haarige Wesen nur im Lebensraum für Oscar-Männchen und Kleinwüchsige. Also im Südpazifik. Alles andere, da war sich das Volk der Elfen- und Zwerge-Darsteller einig, wäre das schlimmste nationale Desaster seit der Schlacht 1916 in Gallipoli gewesen.

Jetzt geht der ganze Rummel also noch mal von vorne los. Touristen werden sich wieder auf „Herr der Ringe“-Safari begeben, ihre mitgebrachten Aragorn- und Legoslas-Figuren vor den Originalschauplätzen fotografieren, und manchmal rollen dabei Tränen. Neuseeland wird nach kurzer Verschnaufpause wieder Mittelerde, denn das verkündeten trotzig die Plakate, die bei den Demonstrationen am vergangenen Wochenende geschwenkt wurden: „New Zealand IS Middle Earth“.

Wer das anders sieht, riskiert, kaltgestellt zu werden, so wie die links angehauchte Schauspielerin Robyn Malcom. Der Fernsehstar hatte sich hinter die Forderung der Filmgewerkschaft nach besseren Verträgen gestellt und braucht seitdem Polizeischutz: „In dieser Stadt“ würde Malcom „nie wieder arbeiten“, drohte man ihr öffentlich. Sie hätte wohl eh kaum eine Aussicht auf eine Rolle in „Der Hobbit“ – spielen da überhaupt Frauen mit?

Ich bin wirklich kein Fan. Stunden um Kinostunden werden die drolligen Gesellen der Baggins-Bande wieder durch die Landschaft stapfen, ihre Männerfreundschaften pflegen, sich die haarigen Rücken schubbern und wilde Abenteuer bestehen. Das war in „Brokeback Mountain“ kürzer, spannender und deutlich intensiver.

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