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Vom Glück, sich zu bewegen

FESTIVAL Die Movimentos Festwochen locken mit spektakulären Tanzproduktionen nach Wolfsburg. Wie nebenbei lässt sich so auch eine bestimmte Sicht auf den Volkswagen-Konzern kommunizieren

VON ROBERT MATTHIES

Ein bisschen Glück muss man derzeit haben, wenn man ohne Auto die Autostadt Wolfsburg besuchen möchte. Am vergangenen Montag hielt zumindest noch der letzte Waggon des ICE 841 auf dem Bahnhof – weil der Lokführer schnell noch eine Vollbremsung gemacht hat. Seit drei Jahren aber rauscht der Schnellzug in schöner Regelmäßigkeit einfach vorbei. Zwölf Nicht-Stopps haben genervte Pendler schon gezählt.

Manch einer vermutet da hämisch Unbewusstes am Werk: Steckt hinter dem auffällig häufigen „Vergessen“ der Lokführer etwa ein unterschwelliger Konflikt zwischen Schiene und Straße? Ist ein geglückter Halt also viel mehr „als ein positives Zufallsereignis des Lebens“?

Das jedenfalls stellt der Themenpark „Autostadt“ des Volkswagen-Konzerns seiner Beschäftigung mit dem Glück voran, das er dieses Jahr zum alles und nichts sagenden Leitthema aller Veranstaltungen auserkoren hat. Wem das Schicksal hold war, der findet in der Stadt rund um das VW-Werk jede Menge Gelegenheiten, sich über sein Glück Gedanken zu machen.

Dass er dabei irgendwann wieder auf das Thema Mobilität und Bewegung kommt, dafür hat Maria Schneider ganz bewusst gesorgt. Seit zwölf Jahren ist die promovierte Sprachtheoretikerin und Kommunikationsdesignerin „Kreativdirektorin“ der „Autostadt“, die unter dem Motto „Menschen, Autos und was sie bewegt“ als „Schnittstelle zwischen Unternehmen und Gesellschaft“ fungieren soll.

Gemeinsam mit Wolfsburgs Kulturmanager Bernd Kauffmann ist Schneider als künstlerische Leiterin der „Movimentos Festwochen“ auch dafür verantwortlich, dass der internationale Kulturbetrieb seine Aufmerksamkeit für sechs Wochen auf den Themenpark des Konzerns richtet. Auf ein üppiges Finanzkissen gebettet, sind die Festwochen der kulturelle Höhepunkt in der Region und haben sich vom kleinen Tanztheaterfestival in der Provinz längst zu einer renommierten Plattform vor allem für den modernen Tanz gemausert. Rund 30.000 BesucherInnen locken sie jedes Jahr in die Stadt.

Dass internationale Tanzproduktionen – neben anderen „bewegenden Kulturformen“ wie Konzerten, Theateraufführungen, Vorträgen, Lesungen und Workshops – im Zentrum stehen, ist von vornherein eine bewusste Entscheidung. Denn Tanz, davon spricht Schneider gern, sei schließlich die „schönste Form menschlicher Bewegung“. Und glücklich sei, „wer sich bewegt und aktiv ist“, sage die Forschung – sagt Schneider. So lässt sich en passant auch eine bestimmte Sicht auf das Unternehmen kommunizieren.

Spektakulär ist das Programm der Movimentos Festwochen auch in diesem Jahr. Mehr als 60 Veranstaltungen präsentieren sie bis Anfang Juni und für die meisten gibt es nur noch wenige Tickets – nahezu 100 Prozent Auslastung werden Schneider und Kauffmann auch diesmal vermelden können.

TanzfreundInnen freuen sich vor allem auf ein Wiedersehen mit international renommierten Ensembles: Zu Gast sind die brasilianische Company Grupo Corpo und der marokkanisch-flämische Choreograf und „Movimentos“-Dauergast Sidi Larbi Cherkaoui, der in einer Deutschlandpremiere sein Tango-Stück „mlonga“ präsentiert. Bereits zum zweiten Mal in Wolfsburg zu sehen sind der britische Starchoreograf Wayne McGregor und seine Company Random Dance, die ebenfalls in einer Deutschlandpremiere ihre Produktion „Atomos“ zeigen, sowie das US-amerikanische Diavolo Dance Theater mit seiner Trilogie „L’espace du temps“. Erstmals zu Gast ist das chinesische Beijing Dance Theater.

Immer wichtiger wird das Konzertprogramm. Ein Schwerpunkt liegt dieses Jahr beim Jazz: Mit Diana Krall und Gregory Porter sind zwei Weltstars zu Gast. Außerdem kommen die Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington, die norwegische Nu-Jazz-Band Beady Belle und die Kubanerin Yilian Cañizares.

Zum zweiten Mal wird es auch ein Popfestival geben: Im Kulturzentrum „Hallenbad“ stehen Ex-Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer, Cibelle, Sizarr und die schwedischen Shooting-Stars The Majority Says auf der Bühne.

■ Di, 22. 4. bis So, 1. 6., Infos und Programm: www.movimentos.de

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