piwik no script img

KOMMENTAR: BENNO SCHIRRMEISTER IN EIGENER SACHESchändliche Anzeige

Nein, die Anzeige zu den Bremer Affenversuchen, die heute auf den vorderen Seiten der taz erscheint, hätten wir nicht drucken wollen: Tierexperimentatoren seien „Wesen besonderer Art“, wird da der 1985 gestorbene hannoversche Psychiater Herbert Stiller zitiert.

Und man dürfe sie „nicht leichtfertig Menschen nennen“ – bei aller Liebe auch zur schroffen Polemik, das ist keine vertretbare oder auch nur zulässige Form des Streits. Und dass der „Verein Tierversuchgegner Bundesrepublik Deutschland“ diese wenig intelligente allgemeine Schmähung seines Mitgründers direkt auf den Bremer Neurobiologen Andreas Kreiter münzt – ist abscheulich: Die taz.bremen hat daher empfohlen, die Anzeige abzulehnen. Aber Verlag und Redaktion sind strikt getrennt. Leider – und zum Glück: Wir nehmen auch keine Rücksicht auf die Begehrlichkeiten von AnzeigenakquisiteurInnen.

Dass die Anzeige erscheint, ist bitter. Auch, weil sie im Rückgriff auf den 1923 geborenen Stiller ein in dessen Jugend populäres hierarchisierendes Denkmuster reproduziert: Das besteht darauf, aus einer vermeintlich moralisch-erhabenen Position zwischen Menschen und untermenschlichen Tierexperimentatoren unterscheiden zu dürfen. Der Anzeigentext ist daher bis in Details der Wortwahl hinein identisch mit der Propaganda, die ab 1933 den Tierversuch als „entsetzlichste Ausgeburt der jüdisch-materialistischen Schulmedizin“ verbietet – und dafür mit denjenigen experimentiert, die sie als lebensunwert, un- oder untermenschlich brandmarkt.

Es ist nicht verboten, sich in solchen Gedankenbahnen zu bewegen. Und der Abdruck der Anzeige wird offenbar gut bezahlt. Aber uns hier ärgert diese Hasssprache des Vereins: Sie verhindert die Reflexion des prekären Verhältnisses von Mensch und Tier. Sie stuft die Kategorie der Menschenwürde zur bloßen Verfügungsmasse ihrer Polemik herab – und beseitigt so die Basis, von der aus sich die Legitimation von Tierversuchen überhaupt infrage stellen ließe. So schafft man die Praxis der Tierversuche nicht ab. So stabilisiert man sie.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen