piwik no script img

Prekäre bleiben zu Hause

EUROMAYDAY

Im vergangenen Jahr waren es immerhin 1.600 Menschen, die sich eingefunden hatten – am kommenden 1. Mai werden es voraussichtlich null sein. „Genug ist niemals genug“, hatte der Veranstalter danach gesagt, in diesem Jahr nun ist es eindeutig nicht genug – und so hat das Organisationskomitee den Hamburger Euromayday 2014 abgesagt. Weder an Ideen habe es gefehlt, lässt man wissen, noch an der Bereitschaft vorzubereiten – trotzdem habe der „Beteiligungsprozess nicht funktioniert“. Auf Facebook stand: „Euromayday hat fertig“.

Warum? Dazu gebe es, so heißt es diplomatisch oder auch resigniert, „verschiedene Meinungen und Positionen“. Das ist schade – und mehr als das: Mit dem Euromayday sind Menschen in die öffentliche Wahrnehmung gerückt, die sich in den 1.-Mai-Demonstrationen der Gewerkschaften nur begrenzt wiederfinden konnten.

2001 riefen italienische, französische und katalanische Aktivisten in Mailand zur ersten Euromayday-Parade auf, um den sehr verschiedenen Formen von Prekarisierung Ausdruck zu verleihen, die bei den Gewerkschaften nicht vorkamen. 2011 gingen dafür 5.000 Leute auf die Straße, 2004 waren es bereits 100.000 in verschiedenen europäischen Städten. Beim ersten deutschen Ableger setzten sich im Jahr 2005 4.000 Menschen vor der Hamburger Michaeliskirche in Bewegung.

Auch vom Habitus unterscheiden sich die Euromayday-Paraden von den eher erwartbaren Fahnen-Megafon-Veranstaltungen: Italienische Aktivisten schufen „San Precario“, eine Heiligenfigur für die Prekären, der mit T-Shirt und gefalteten Händen vage Ähnlichkeit mit einem Fußball-Schiedsrichter hat.

In Hamburg erschienen die Euromayday-Teilnehmer im vergangenen Jahr mit Maulwurfsmasken – aus Protest gegen die Eintrittspreise bei der örtlichen Internationalen Gartenschau (IGS). Einer der Moderatorinnen wurde vor Gericht der Aufruf zu Straftaten vorgeworfen, die Sache ging aber zu ihren Gunsten aus: Wer da vom Lautsprecherwagen aus „Besucht die IGS umsonst!“ gerufen habe, so das Gericht, sei nicht nachweisbar.  GRÄ

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen