: Gesucht: der Menschenfreund
Weil der Staat auch für Schulen und Unis immer weniger Geld hat, boomt das Fundraising. Das „Forum Philantrophie“ will diesen Trend wissenschaftlich begleiten
Soweit wie an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt wird es in Bremen wohl so schnell nicht kommen. Dort hat man, was bislang ganz funktional „ZO2“ hieß, mit Beginn des neuen Semesters „Aldi-Hörsaal“ umbenannt. Für Geld versteht sich, doch die Summe bleibt ungenannt. Auf ein „riesengroßes Aldi-Süd-Logo“ will der Konzern verzichten, auf seine Farben indes nicht: Der Hörsaal der Wirtschaftswissenschaften wird in orange-blaues Ambiente getaucht.
Noch ist das ein Einzelfall, der als kurios gilt, gerade an einer staatlichen Hochschule. An der International University of Bremen (IUB) indes gibt es schon länger ein „Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development“, ein „Alfred Krupp College“. Und auch für die staatliche Universität Bremen kann sich Bastian Behrens vorstellen, einer Bibliothek den Namen eines Mäzenaten zu geben.
Behrens ist Mitarbeiter des „Forum Philantrophie“, das bereits im Frühjahr vergangenen Jahres gegründet wurde. Philantrophie, das ist für ihn nicht einfach nur Menschenfreundlichkeit oder Menschenliebe – sondern auch ein aus den Vereinigten Staaten kommendes wissenschaftliches Konzept. Es geht dabei um die Förderung des Gemeinwohls, eine Gesinnung, aus der heraus gemeinnützige Tätigkeiten möglichst uneigennützig gefördert werden. Wobei auch Behrens es mit Altruismus nicht ganz so streng nimmt.
Das Bremer „Forum Philantrophie“ will dabei in erster Linie wissenschaftlich begleiten und beraten – nicht jedoch selbst Geld für die Hochschule sammeln. Dafür ist an der Bremer Uni bislang eine beim Rektorat angesiedelte Mitarbeiterin zuständig, dazu eine so genannte „Transferstelle“ der Uni. Eine eigene Abteilung für Fundraising, also die gemeinnützige Mittelbeschaffung, ist in Planung.
„Der Bedarf steigt“, da ist sich Behrens sicher – und zwar in dem Maß, in dem sich der Staat aus der Finanzierung auch der Hochschulen zurückzieht. Doch nicht nur dort. „Wir werden hier fast von Nachfragen erschlagen“, sagt Behrens – gerade auch aus jenen Bereichen, die sich früher immer auf die Steuergelder allein verlassen hätten, Umweltschutzinitiativen etwa, oder Schulen. „Das boomt in allen Bereichen“, sagt Behrens.
Doch gerade im staatlich dominierten Bildungsbereich sei dieser Fundraising-Boom noch relativ jung, so der Diplom-Soziologe, „in Deutschland sind wir zehn Jahre hinterher“. Und das sei auch „nicht von heute auf morgen“ zu ändern, denn gerade in Schulen und Universitäten sei Fundraising „noch immer verpönt“, Beispiele wie jenes aus Würzburg-Schweinfurt noch immer die Ausnahme. Bislang herrsche hierzulande die Auffassung vor, der Staat habe die volle Finanzierung zu garantieren. Noch. „In fünf oder zehn Jahren“ werde Philantrophie, werde Fundraising „auch in Deutschland gang und gäbe sein“.
Das Forum Philantrophie will diese Entwicklung durch eigene Forschung, aber auch durch Weiterbildungsprogramme sowie Seminare, Workshops und Tagungen voranbringen. Ein Konzept, das es nach Behrens Worten „so an keiner anderen deutschen Uni“ gibt. Kürzlich lud man zum „Ersten Bremer Philantrophie- und Fundraising-Forum statt“, gekommen waren unter anderem der Intendant des Bremer Musikfestes, der Vorstandsvorsitzende der Bremer Heimstiftung sowie Vertreter verschiedener Museen.
Dabei will Behrens nicht verhehlen, dass auch die Philantrophie nicht unproblematisch ist für den, der wohltätiges Geld empfängt. Denn auch MenschenfreundInnen verlangten häufig Mitsprache, gerade wenn sie UnternehmerInnen seien – und auch so dächten. Noch immer sind die meisten Spender Herren jenseits der 60 – und sie wollten beteiligt werden, gerade wenn viel Geld fließe. „Da knallt es dann häufig“, sagt Behrens – denn gerade soziale Einrichtungen „ticken da ganz anders“. Und Behrens warnt auch vor einseitigen Abhängigkeiten. Eines müsse so oder so klar sein: „Der Staat darf nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden“. Jan Zier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen