piwik no script img

Vor dem Champion gähnt ein Abgrund

ANGEZÄHLT Der Geschäftsführer des HSV Handball war schon drauf und dran, Insolvenz anzumelden

Bei Präsident Andreas Rudolph ist nicht klar, wie viel Lust er noch auf das Projekt HSV Handball hat

Vielleicht waren es die wilden Jahre, voller Tatendrang und Ideen. Auf jeden Fall wurde beim HSV Handball vor einem Jahrzehnt in ganz anderen Zeiträumen gedacht. Damals gab es einen Fünf-Jahres-Plan, innerhalb dessen in nationalen und internationalen Wettbewerben diese und jene Trophäe gewonnen werden sollte. Heute müssen sie beim amtierenden Champions-League-Sieger schon froh darüber sein, wenn die Existenz des Vereins für die Dauer von nur wenigen Wochen gesichert ist.

Immerhin soll beim defizitären HSV der Spielbetrieb, wie es Geschäftsführer Holger Liekefett bekannt gab, nun bis zum Saisonende gesichert sein. Die Rede ist hier vom Zeitraum bis zum 24.Mai. So dramatisch steht es also um den Verein, den der Präsident und Mäzen Andreas Rudolph vor einigen Wochen als einen „Sanierungsfall“ beschrieben hatte.

Am Gründonnerstag wäre der Prozess der angestrebten Sanierung beinahe beendet gewesen – mit einem großen Misserfolg. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts trennten die HSV-Handballer nur wenige Meter vom Abgrund. Geschäftsführer Liekefett fuhr an jenem Tag beim Amtsgericht vor. Nur mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Spielbetriebs-GmbH, so seine Sicht, sei ein Ausweg aus der Finanzmisere möglich. Auf fernmündlichem Weg hielt Klubboss Rudolph ihn schließlich davon ab. Der 59 Jahre alte Medizintechnikunternehmer, der seit Februar 2004 knapp 30 Millionen Euro in den Klub investiert hat, erklärte sich dazu bereit, ein weiteres Mal mit seinem Geld die dringlichsten Probleme zu beseitigen. Dieses Mal soll Rudolph 700.000 Euro überwiesen haben. Mit einem Teil davon wurden die noch offenen Spielergehälter beglichen. Mit einem anderen Teil wurden die für das Jahr 2013 bestehenden Mietrückstände für die Arena getilgt. Angesichts der Rückstände hatten die Betreiber der Arena dem HSV angedroht, die Spielstätte für die nächsten Partien nicht mehr zu öffnen.

Das wäre gerade im Hinblick auf das nächste Heimspiel, am Maifeiertag, gegen die SG Flensburg-Handewitt ein immenser Schaden gewesen. Für diese sportlich so wichtige Partie sind knapp 12.000 Eintrittskarten verkauft worden. Der HSV benötigt dringend einen Sieg, um sich noch die Chance auf das Erreichen der Champions League zu erhalten. Derzeit ist Flensburg mit 48:10 Punkten Dritter, Hamburg liegt mit 46:12 Zählern auf dem vierten Rang. Für die direkte Qualifikation zur Champions League muss Rang drei her. Eine Saison im EHF-Cup, in dem es nichts zu verdienen gibt, könnte schon das Aus des HSV Handball bedeuten. Es hängt alles am seidenen Faden.

Beim HSV sollen nun gespart und der Kader verkleinert und verjüngt werden. Es ist nur fraglich, ob damit das sportliche Niveau gehalten werden kann und ob die durch Erfolge verwöhnten Zuschauer auch in Jahren des Mittelmaßes die Treue halten werden. Und dann ist da auch noch der Präsident Andreas Rudolph, bei dem nicht klar ist, wie viel Lust er noch auf das Projekt HSV Handball hat. Verliert er diese, stürzt alles in sich zusammen.  CHRISTIAN GÖRTZEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen