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tomaten im herbst. ein mitgefühl von WIGLAF DROSTE

November ist es, Herbst, und beinah Winter schon,/ Harsch, ruppig wüten Winde um die Fenster,/ Und drinnen, so man’s warm hat, klingt ihr Pfeifen heimelig und höchst gemütlich.

Doch draußen, auf der Straße, ist es nicht so niedlich,/ Da reißt ein scharfes Wehen mir den Hut wild-ungestüm vom Schädel,/ Ich lauf dem Borsalino lachend hinterher und fang den schwarzen Filz, den guten Hüter meiner Rübe,/ Stülp ihn mir fester auf die Omme. Dies Wort kommt nicht, dass ihr es wisst, vom OM-Gesäusel der Erleuchtungsmafia;/ Es heißt schlicht Birne, Kösel, Keite, Kopf.

Auf meinem heißen Herd dampft eine dicke Kürbissuppe gelb im Topf./ Sie sagt, sie muss noch ziehn – wo zieht sie’s hin?/ Zu all den andern Kürbiskindern?/ Ist sie denn scharf auf Halloween?

I wo, ach was, mit Modetüneff hat die Suppe keinerlei Verträge./ Sie will nur ganz für sich noch ziehen, Suppe werden,/ Geduldig harren aller Schönheit, die man ihr noch tun kann,/ Als da wären: Kumin, Kukuma, Krabben – /So viel Ks, da komm ich durcheinander,/ An Kürbiskernöl denk ich noch, an Koriander,/ An alte Kinder-Abzählverse,/ An lustige, unschuldig polymorph-perverse: „Ko-ri-ander, Arsch aus-ein-ander, Arsch wieder zu, und aus bist du!“

Dabei zieht Kürbissuppe auch noch andre Konsonanten/ Konsorten auch: SS wie Grass und Saure Sahne,/ Auch W wie Weißwein, P wie Pfeffer, S wie Salz, M wie Muskat./ Wie umsichtig der Koch, der alles dies im Hause hat.

Im Radio der Sprecher plärrt von Pleite./ Die Hauptstadt bläht sich, die sonst nichts gelernt hat,/ Als aggressives Betteln: „Haste mal ein paar Milliarden?“/ Berlin, die Künstler ab drei Groschen abwärts sind das Kapital der Stadt,/ Die den, der sie regiert, den Knuffigtuer,/ teils so was von verdient, teils satt hat.

Das Radio erwähnt noch andre Fittis,/ Soldaten, die mit Totenschädeln spielen./ Das ist kein Grund, sich zu erregen./ Was soll’n sie tun?/ Sie können doch nichts andres/ Als ihre kümmerlichen Schwänze Kameradenkameras zu präsentieren./ Ein Mann, der gut bewaffnet ist, muss keine Knarre tragen./ Kuckt euch die Mickerlinge an,/ Sie haben nichts zum Morden,/ Da graben sie Skelette aus dem Sand,/ Und spielen Mann – genau das, was sie niemals werden.

Der Kürbissuppe geht’s gedeihlich,/ Dem Kochenden wird so die Zeit nicht lang noch weilig,/ Dem Radio entquillt, was man im Funk Musik nennt./ Man bringt den Apparat zum Schweigen: zack! / Und nichts mehr existiert,/ Berlin nicht, nicht Soldatenpimmel./ Und Frieden ist./ Die Suppe darf nun munden.

Um den Balkon braust Wind, kämmt einen Rosmarin, zerzaust den Salbei/ Und zerrt und rüttelt roh an drei Tomaten/ Die grün bis hellorange im Staudenkraute hängen./ Sie haben’s nicht geschafft, sie sind nicht reif geworden./ Ihr Blick geht flehentlich zu Glastürfensterscheiben,/ Und ahnt doch, was dort angeschlagen steht:/ Wir müssen leider draußen bleiben.

O Not o der Tomaten im November!/ Ich bitt euch: Lasst sie jetzt nicht hängen!/ Sie tragen so ein schweres Schicksal, so ein bitterkaltes Päckchen!/ Strickt, alle, die ihr stricken könnt,/ Rasch ihnen warme Handschuh’, Mützen, Jäckchen!

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