: Wie aus Steinweg Steinway wurde
AUSSTELLUNG Die Ursprünge des Klavierbauunternehmens liegen im Harz. Das Seesener Museum dokumentiert die Familiengeschichte der Instrumentenmacher und zeigt wuchtige Flügel
HUBERT JAHNS, BÜRGERMEISTER SEESEN
Am 11. November 1825 zog der aus Wolfshagen im Harz stammende Tischler Heinrich Engelhard Steinweg ins benachbarte Städtchen Seesen. Neben der Tischlerei begann er Klaviere herzustellen – und hatte damit Erfolg. Ab 1836 nannte er sich „H. Steinweg – Instrumentenmacher in Seesen“. Seiner Kundschaft erklärte er: „Für Güte und Dauer (meiner Instrumente) garantiere ich auf jede vom Käufer selbst zu bestimmende Zeit.“ 1850 wanderte Steinweg in die USA aus. Dort nannte er sich Henry E. Steinway und gründete in New York die berühmte Klavierbaufirma „Steinway & Sons“.
Die Familiengeschichte Steinweg/Steinway ist der Schwerpunkt des nach halbjähriger Umbaupause wieder eröffneten Städtischen Museums Seesen. „Wir sind weltweit das einzige Haus, das diese Geschichte dokumentiert“, sagt Bürgermeister Hubert Jahns. An einer Wand hängen Fotos des Steinwegschen Hauses im Harz, eine Reproduktion der Verkaufsanzeige, ein Gemälde zeigt den Meister Heinrich E. Steinweg beim Klavierbau in Seesen.
Im ersten Stock prangt auf einem Podest der wuchtige Flügel, den Heinrich Steinweg 1853 als erstes Klavier in New York fertigte. „Der ist zwar noch spielbar, klingt aber schrecklich“, sagt Jahns. Daneben steht, fast genauso alt, ein Klavier aus dem Hause Grotrian-Steinweg. Der Braunschweiger Friedrich Grotrian gründete die Pianofortefabrik mit Theodor Steinweg, einem zunächst in Deutschland gebliebenen Sohn Heinrichs.
Theodor und sein Bruder Henry Jr. Hatten mit einer wahren Patentflut den Klavierbau revolutioniert. Sie gelten heute als Schöpfer des modernen Klaviers. Ihr jüngerer Bruder William steuerte sein kaufmännisches Genie zum Erfolg bei. Auf seine Initiative kam es 1880 zur Gründung von „Steinway & Sons, Hamburg“. Obwohl weltweit engagiert, fand William immer wieder Zeit für Besuche in seiner Heimatstadt Seesen.
Als weiteres „Highlight“ des umgestalteten Museums nennt der Bürgermeister die vor 200 Jahren errichtete Seesener Synagoge und das Wirken des jüdischen Reformers Israel Jacobsen in der Harzstadt. Die in Form eines Tempels errichtete Synagoge war weltweit eine der ersten, in der Orgelmusik gespielt wurde, ein Chor in deutscher Sprache sang und Frauen gleichberechtigt am Gottesdienst teilnehmen durften.
In einem Glaskasten ist ein neu aus Holz geschnitztes Modell der Seesener Synagoge zu bewundern. Ein Foto gegenüber zeigt, wie das von Nazis und aufgehetzten Bürgern angezündete Gebäude in der Feuersbrunst der Novemberpogrome von 1938 in sich zusammenstürzt.
Jacobsen errichtete in Seesen auch eine Schule, in der 60 jüdische und christliche Kinder bei freier Kost und Unterkunft gemeinsam unterrichtet wurden. Die erste Simultanschule Deutschlands wurde berühmt, hunderte Schüler aus der Region erhielten dort eine Ausbildung.
Der Umbau des Museums hatte im Frühjahr begonnen. An den Kosten von insgesamt rund 900.000 beteiligen sich neben der Stadt Seesen auch die Europäische Union und mehrere Stiftungen. Die früheren Besucherzahlen von 6.000 bis 8.000 Gästen im Jahr möchte Jahns künftig deutlich steigern. Die Stadt hat deshalb bereits mehrere Kooperationen mit Busunternehmen und gastronomischem Betrieben vereinbart. In der Deutschland-Zentrale von „Steinway & Sons“ in Hamburg sollen Besucher mit Extra-Flyern nach Seesen gelockt werden. REIMAR PAUL
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