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Bis ans Ende der Musik

In der Tiefe der Unterwasserwelt passiert ein U-Boot die letzten Partys und Konzerte: Das georgische Künstlerkollektiv Goslab feierte am Montagabend die Weltpremiere seines postapokalyptischen Films „Trigger Tiger“ in der Volksbühne

Isaak Blake, Bruder von William, ist ein eher tödlicher als tödlich verletzter Mann und leitet eine Expedition durch die Weltmeere. Die Welt ist im bedenklichen, postapokalyptischen Zustand, nur die Insel Vega im Nordmeer scheint noch Leben zu bieten. Die Besatzung des eisgrauen Unterseeboots, mit dem Blake unterwegs ist, besteht in der Hauptsache aus Blakes Familienmitgliedern, Charakterköpfe, die nicht viel zu reden haben, ums Reden geht es nicht. Sondern um die Schnitte.

Isaak Blake trägt einen Schafswollpullover. Manchmal sieht man diesem Film, der übrigens „Trigger Tiger“ heißt und am Montagabend in der Volksbühne seine Weltpremiere feierte, seine geringen Produktionskosten sehr gut an. Gedreht wurde er mit deutschen und georgischen Schauspielern, produziert wurde er von dem georgischen Künstlerkollektiv Goslab.

Irgendwo im Maschinenraum liegt eine blutende Taube und gibt erratische Sätze von sich. Das eisgraue Unterseeboot schwimmt durch grün gepunktetes Gewässer, das gut ein Gartenteich sein könnte. Die zerstörten Städte der Welt gleichen kargen Mondlandschaften. Steine in Großaufnahme. Florenz nach der zweiten Detonation. Keine Überlebenden.

Die Regisseurin und Autorin dieses in eigenwilliger, aber konsequenter Kunstvideo-Ästhetik geschossenen Science-Fictions ist die Georgierin Salome Machaidze. Auch sie ist ein Mitglied von Goslab, und wie fast alle mitfeiernden GeorgierInnen spricht sie fließend deutsch. Goslab ist ein Verbund, ein interdisziplinäres Netzwerk junger georgischer KünstlerInnen zwischen elektronischer Musik, Film, Kunst und Mode. In der Heimat hat das Kollektiv mit gigantischen Missständen zu kämpfen, immer wieder fällt beispielsweise der Strom aus. In Teilen Georgiens wird gekämpft; im großen Nachbarland Russland gelten Georgier als Staatsfeinde. Kein Wunder, dass sich die ProtagonistInnen des Kollektivs nach Westen orientiert und in Berlin oder Paris eine neue Heimat gefunden haben. Von hier aus arbeiten sie an der „Neuen Georgischen Kunst“; das Konzept erinnert nicht von ungefähr an Laibach und ist auf viele Disziplinen und Köpfe verteilt.

Mittlerweile kommt auch der Erfolg. Einer der Mitbegründer von Goslab ist der Elektromusiker Nikokai, dessen Track „City lights“ wochenlang auf Platz 1 der deutschen Chill-out-Charts war. Von ihm und Tusia Beridze stammt auch der Soundtrack des Films. Eine Arte-Doku über Goslab räumte mehrere Preise ab. „Trigger Tiger“ wurde von der Berliner Firma „Credofilm“ mitfinanziert. Der Isaak Blake, wie Thorsten Loeb ihn spielt, überzeugt. Die Montagetechnik des Films ist gewöhnungsbedürftig, manchmal ist er auch etwas überambitioniert, er lohnt sich trotzdem. Bei der Reise durch die surreale Unterwasserwelt bilden Partys und Konzerte Zwischenstationen.

„Der Osten ist tot“, heißt es einige Male im eisgrauen Unterseeboot. Macht nichts. Das „staatliche Laboratorium“ Goslab ist schon längst in Vega zu Hause. Am einzigen Ort, der ein Überleben garantiert. Am Ort der Kunst. RENÉ HAMANN

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