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Grauzone im Farbfernsehen

Die neue EU-Fernsehrichtlinie will Schleichwerbung im TV verbieten – und gleichzeitig Product Placement freigeben

Schleichwerbung im Fernsehen bleibt im Prinzip verboten. So steht es im Kompromiss zur neuen EU-Fernsehrichtlinie, auf den sich eine Mehrheit der EU-Länder in Brüssel am Montagabend einigte. Vor allem die deutsche Delegation hatte darauf gedrängt. Denn in Deutschland hatte der Skandal um so genannte „Themenplatzierung“, also von Firmen gekaufte Inhalte in Vorabendserien, große Wellen geschlagen. „Das ist schon – wenn ich ‚Marienhof‘ vor Augen habe – eine medienpolitische Aussage“, lobte Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).

Doch der Kompromiss sieht weitere Ausnahmen vor: So soll den einzelnen Mitgliedsländern überlassen bleiben, so genanntes Procuct Placement in Fernsehfilmen, TV-Serien sowie Sport- und Unterhaltungssendungen – also überwiegend – zu erlauben. Firmen können hier beispielsweise für eine Fernsehproduktion Requisiten zur Verfügung stellen und als Gegenleistung verlangen, dass ihre Produkte mit Firmenlogo im Bild zu sehen sind. Bayerns Europaminister Eberhard Sinner (CSU), der als Vertreter der deutschen Bundesländer an der Ratssitzung teilnahm, kündigte an, dass auch Deutschland Product Placement zulassen werde, um auf dem TV-Markt nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Auch der Kulturausschuss des Europaparlaments, der zeitgleich mit den Ministern über das Gesetzesprojekt befand, stimmte für die Freigabe von Product Placement. Ein entsprechendes Logo am Bildrand soll den Zuschauer während der Sendung darüber informieren.

Grüne, Linke und Sozialisten hatten sich dafür eingesetzt, Product Placement ganz zu verbieten. „Mit diesem Votum wird die klare Trennung von Werbung und Programm durch die Hintertür aufgehoben“, kritisierte die sozialistische Abgeordnete Lissy Gröner. „Es entsteht eine riesige Grauzone. Wie soll man nachweisen, ob nur ein Auto bereitgestellt wurde oder ob Geld gezahlt wurde, um Inhalte einer Sendung zu beeinflussen.“

Uneinigkeit herrscht auch bei den Neuregelungen zur TV-Werbung: Eine Mehrheit des Parlamentsausschusses will Werbeblöcke künftig nur noch alle 45 Minuten zulassen. Dies läuft den Interessen der Privatsender zuwider, die seit langem klagen, dass man Zuschauer immer schwerer mit klassischer Fernsehwerbung erreiche. Nach Meinung der konservativen Abgeordneten Ruth Hieronymi (CDU) nutzt eine solche Beschränkung nur dem Pay-TV: „Wenn wir den Trend hin zum reinen Bezahlfernsehen aufhalten wollen, dann müssen wir die Werberegeln den neuen Gegebenheiten anpassen.“ Deshalb müssten die Sender selbst entscheiden dürfen, in welcher Form und wie oft sie Werbung einblenden wollen. Die EU-Kommission hatte Werbeunterbrechungen alle 35 Minuten vorgeschlagen. An der derzeit geltenden Obergrenze von zwölf Minuten Werbung pro Sendestunde soll aber festgehalten werden.

Die für Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding hält die Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament für überbrückbar. Sie rechnet damit, dass im kommenden Halbjahr unter deutscher Ratspräsidentschaft eine Einigung zustande kommt.

DANIELA WEINGÄRTNER

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