: MEIN WEINHÄNDLER UND ICH
VON SUSANNE FISCHER
Ich hatte schon erwähnt, dass ich, in Verachtung aller Kennerschaft und allen Wein-Getues, bei meinem Weinhändler immer brav das Gleiche kaufe. Gott sei Dank ist alles in seinem Computer registriert, sonst müsste ich mir am Ende noch den Namen von etwas merken, das ich bloß trinken will. Leider drohen jedoch immer wieder Ausnahmen von der bequemen Regel. Weihnachten gibt sich ja in jeder Beziehung gern mal anstrengend, so auch in dieser. Es waren Gäste zu erwarten, also sollte es schon etwas Besonderes sein.
„Ich hätte gern sechs Flaschen Bordeaux“, versuchte ich es nassforsch bei dem freundlichen Franzosen. „Was für einen?“, gab er cool zurück. Das war jetzt ein Punkt für ihn, das muss ich zugeben. „Einen guten!“, legte ich unverfroren noch ein Öchsle drauf. Er seufzte, fragte aber nicht, ob ich etwa der Ansicht sei, er verkaufe auch schlechte. Und statt mich hinauszuwerfen, erkundigte er sich, was es denn zum Essen geben soll.
„Racklett!“, antwortete ich stolz, denn das hielt ich für eine Franzmannspeise, wenn ich es auch eher preußisch klingen ließ, so à la „Zackzack!“ Das war aber nicht der Grund, warum mein Weinhändler zusammenbrach.
„Raclette!“, wimmerte er, „und dazu Bordeaux! Das geht gar nicht. Ein frischer Weißer muss es sein!“ Ich sah ihn skeptisch an. Wollte er mich vor meinen Gästen blamieren?
„Es kommen nur Rotweintrinker“, antwortete ich. Und um ihn zu motivieren, gab ich mich großzügig: „Na, ich würde vielleicht auch eine Flasche Weißwein dazu nehmen.“
„Warum trinken Ihre Gäste keinen Weißwein?“ Der Franzose stand vor einem Weltenrätsel. Ich zuckte die Achseln.
„Vielleicht, weil Rotwein kräftiger schmeckt? Sie sind Raucher.“ – „Raucher!“ Er winselte beinahe.
„Warum essen sie dann nicht jedenfalls was anderes?“ – „Sie sind Vegetarier.“ – „Zwei Sorten Menschen, die die Welt nicht braucht“, stellte er kopfschüttelnd fest.
Darauf hatten sie ihn in seiner formidablen Weinhändlerausbildung nicht vorbereitet. Dann bot er mir zwei Sorten Rotwein an, die ich gebrauchen konnte, ausgezeichnet, kein Bordeaux, und notfalls – notfalls! – auch zum Raclette zu servieren. Daraufhin erkundigte ich mich, welcher von den Weinen besser geeignet sei, um ihn auch nach dem Essen weiterzutrinken. Mein Weinhändler sah traurig aus: „In Frankreich trinken wir nur zum Essen Wein.“
Schon wieder ein Klischee im Eimer; ich dachte, die tun das den ganzen Tag. Na ja, ich dachte ja auch, die sind locker drauf.
„Und welchen von den beiden Weinen möchten Sie nun?“ – „Den leichteren.“ Mir war auch gleich leichter nach dieser bahnbrechenden, aber vollkommen unbegründeten Entscheidung. Doch mein Weinhändler war inzwischen leider kritisch geworden: „Aha, und wieso?“ Keineswegs wollte ich zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, wieso. „Damit sie sich nicht wieder prügeln wie im letzten Jahr.“
Er war dann ziemlich still, als er mir die Flaschen einpackte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen