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DOROTHEA HAHN ÜBER DIE WAHLEN AUF HAITIUnd wieder keine Legitimität

In dieser Situation ruhige, faire und transparente Wahlen zu erwarten war von vornherein Illusion

Haiti ist ein kaputtes Land, zerstört von Erdbeben, Tropenstürmen und einer Serie von Diktatoren. JedeR siebte Einwohner haust in einem Zelt, 80 Prozent der Menschen sind arbeitslos, die Cholera grassiert. Eine Armee von internationalen Blauhelmen kontrolliert das Land, das keine eigene Armee hat. Und die nationale – landwirtschaftliche und industrielle – Produktion liegt am Boden. Nicht einmal Bananen führt die Republik noch aus.

Das zentrale Thema für die überwiegende Mehrheit der HaitianerInnen ist das schiere Überleben: Ernährung, Wohnen, Gesundheit und ein Leben ohne Gewalt. Der scheidende Staatschef René Préval glänzte nur durch Untätigkeit und Korruption. Seine Hauptsorge bei diesen Wahlen ist es, dafür zu sorgen, dass ein Nachfolger seines Gefallens das Amt übernimmt.

In dieser Situation ruhige, faire und transparente Wahlen zu erwarten war von vornherein eine Illusion. Auch wenn es einleuchtet, dass die internationale Gemeinschaft eineN neueN AnsprechpartnerIn in Port-au-Prince braucht. Und auch wenn in Haiti selbst Präsident Préval jede Unterstützung im Volk verloren hat.

Als die Rufe nach einer Verschiebung der Wahlen – zuletzt wegen der Cholera-Epidemie – immer lauter wurden, sprach Edmond Mulet, der Verantwortliche der UNO in Haiti, von der Notwendigkeit eines Neuanfangs mit einer neuen Regierung. Auch andere supranationale Organisationen und Botschaften großer Geberländer haben auf Einhaltung des Termins vom 28. November gepocht.

Jetzt, da – nach acht Tagen Mauschelei, die auf einen von massiven Fälschungen geprägten Wahltag folgten – das „provisorische“ Ergebnis endlich da ist und das Land erwartungsgemäß wieder in Aufruhr gerät, ist klar, dass auch der oder dem aus der Stichwahl hervorgehenden künftigen PräsidentIn des Landes die Legitimität fehlen wird. Damit ist auch die internationale Gemeinschaft in Haiti gescheitert. Wieder einmal.

Ausland SEITE 10

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