: Hamburg heizt ein
Verbraucher und Industrie sparen zu wenig Energie. Der Senat wird das aber nicht ändern. Er profiliert sich als Geldgeber für große Konzerne und preist Hamburg als Wasserstoffhautpstadt
VON HANNA GERSMANN
Die Hamburger sind vorn – beim Ausstoß von Treibhausgasen. Jeder Bürger der Stadt verursacht im Jahr 11,3 Tonnen Kohlendioxid. Damit heizen sie dem Planeten mehr ein als die Berliner, Baden-Württemberger oder Schleswig-Holsteiner. Die SPD-Umweltexpertin Monika Schaal gibt dem Senat die Schuld. „Er tut zu wenig“, sagte sie gestern der taz-nord.
Dabei ist Hamburg Mitglied im Klimabündnis von 1.400 europäischen Städten. Deren Ziel lautet: Alle fünf Jahre sollen die Treibhausgasemissionen um zehn Prozent gemindert werden. Hamburg ist davon allerdings weit entfernt. Der Ausstoß der Hansestadt ist seit 1990 um zwölf Prozent gestiegen.
Die Einwohner verbrennen trotz besserer Heizungstechnik exzessiv Kohle und Gas. Sie verfahren trotz steigender Spritpreise eine Menge Benzin. Und sie verbrauchen immer mehr Strom, weil viele gleich mehrere Fernseher, Computer oder Telefone anschaffen. Zudem: Hamburg ist die einzige Großstadt in Deutschland, die kräftig wächst. In den letzten fünf Jahren sind 29.000 Menschen zugezogen.
München hat sich gegen die Energievergeudung vom renommierten Freiburger Ökoinstitut ein umfassendes Sparprogramm entwickeln lassen. Nicht so Hamburg. Untätig ist der Senat aber auch nicht. Polizei und Feuerwehr haben in ihren Büros Energiesparlampen eingedreht und stromsparende Kühlschränke aufgestellt. Noch-Umweltsenator Michael Freytag rühmt Hamburg außerdem als Wasserstoff-Hauptstadt.
Mittlerweile sind neun Busse und ein Alsterdampfer mit Wasserstoff unterwegs. Sie blasen tatsächlich keine Treibhausgase in die Luft. Rein ist ihre Umweltbilanz darum aber nicht. Im Endeffekt braucht ein Wasserstoffbus nämlich dreimal soviel Energie wie ein Diesel. Das liegt daran, dass die Produktion des neuen Treibstoffs sehr aufwendig ist. Darum sagt Paul Schmid vom Umweltverband BUND Hamburg: „Energiepolitisch bringt das zu wenig.“ Genau wie die anderen Sparmaßnahmen.
Zum Beispiel die Öko-Kooperation mit Unternehmen: Firmen, die in klimaschonende Technik investieren, erhalten vom Hamburger Senat Geld. So sind etwa 276.000 Euro an die Lufthansa Technik geflossen, 200.000 Euro an den Lebensmittelkonzern Nestlé und 219.000 Euro an die Energiefirma E.On Hanse.
Das Geld müsse besser aufgeteilt werden, findet SPD-Politikerin Schaal: „Es ergibt keinen Sinn, dass die Bürger für Energiesparlampen großer Unternehmen zahlen.“ Zumal die Hamburger Wirtschaft jedes Jahr nur 28.000 Tonnen Kohlendioxid einspart – statt der vom einstigen rot-grünen Senat angestrebten 700.000.
Beispiel Verkehr: Viele Hamburger sind in der Vergangenheit ins Umland gezogen, Arbeitswege werden länger. Der Senat will die Verkehrsemissionen jetzt „konstant“ halten. Doch selbst diese „schwache Vorgabe“, meint Umweltschützer Schmid, werde nur erreicht, wenn „Bus und Bahn attraktiver werden als das Auto“.
Beispiel Hausbesitzer: Wer Altbauten saniert, kann den Energieverbrauch halbieren. 85 Prozent der Hamburger Wohnungen gelten als zugig, also schlecht gedämmt. Der Senat fördert Modernisierungen mit maximal 125.000 Euro. Der Anreiz ist offenbar nicht sehr groß. BUND-Mann Schmid: „Bleibt es beim jetzigen Tempo, dauert die Sanierung aller Hamburger Altbauten noch 100 Jahre.“
Der GAL-Abgeordnete Christian Maaß resümiert: „Kontinuität in der Umweltpolitik wäre das Schlimmste, was der Stadt passieren kann.“
Allein: Anfang des kommenden Jahres übernimmt Axel Gedaschko die Umweltbehörde. Gefragt, was er anders machen will, sagte er vor wenigen Tagen dem Hamburger Abendblatt: Sein Dienstwagen solle sportlicher sein als der seines Vorgängers. Hamburg heizt weiter.
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