ERICH RATHFELDER ZUM ERGEBNIS DER PARLAMENTSWAHLEN IM KOSOVO: Integration der Serben
Die größte Überraschung bei den ersten Wahlen im unabhängigen Kosovo ist die breite Beteiligung der serbischen Minderheit. In den südlichen Gemeinden entschlossen sich fast die Hälfte der Wähler, an die Urnen zu gehen. Nur im nördlichen Siedlungsgebiet erzwangen die Extremisten der „Schwarzen Hand“ mit Gewaltandrohungen, Mord und Anschlägen die Wahlenthaltung.
Viele Kosovoserben haben die Nase voll von dieser Politik, sie streben ein besseres Leben an. Die von der internationalen Gemeinschaft durchgesetzte Gemeindereform gibt ihnen viele Möglichkeiten, neben der Selbstverwaltung, auch wirtschaftlich voranzukommen. Den Serben ist durchaus bewusst, dass sie mit ihrer Stimme die Unabhängigkeit des Staates Kosovo anerkennen. Das offizielle Belgrad hat im Gegensatz zu den serbischen nationalistischen Parteien diesmal darauf verzichtet, die serbische Bevölkerung im Kosovo zum Wahlboykott aufzurufen. Dies darf durchaus als ein Zeichen verstanden werden, mit der neuen Regierung des Kosovo zu verhandeln. Für Serbien ist Kosovo nach wie vor ein wichtiger Handelspartner, die Albaner hoffen auf freien Verkehr durch Serbien, die Anerkennung ihrer Pässe und damit auf einen leichteren Zugang zu dem Europa der EU.
Sollten serbische Regierungspolitiker insgeheim darauf hoffen, serbische Siedlungsgebiete im Nordkosovo mit albanischen Gebieten in Südserbien zu tauschen, so werden sie auf Granit beißen. Zwar sind manche albanische Politiker offen für diese ethnisch-nationale Idee, die internationale Gemeinschaft kann jedoch keine Grenzveränderungen zulassen. Solche Pläne werden aber auch von der Bewegung für „Selbstbestimmung“ durchkreuzt, die überraschend stark ins Parlament von Prishtina eingezogen ist: Sie möchte das Kosovo mit Albanien vereinen.
Ausland SEITE 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen