Das letzte große Spiel

CHAMPIONS LEAGUE II Tyresö FF muss nach dem Finale seine desaströse Finanzlage aufarbeiten

STOCKHOLM taz | Das Luftschloss steht. Noch. Tyresö FF steht im Champions-League-Finale der Frauen. Doch die Spielerinnen, die heute in Lissabon gegen den Vorjahressieger und deutschen Meister VfL Wolfsburg antreten, bekommen schon seit Ende April keinen Lohn mehr. Der Stockholmer Spitzenklub ist pleite. Und nach der Partie in Lissabon wird sich die Mannschaft wohl in alle Winde zerstreuen.

Belastend sei das natürlich, meint die schwedische Nationalspielerin Lisa Dahlkvist, die zu der Schar von Stars gehört, die sich 2012 mit viel Geld und großen Versprechungen von Tyresö anwerben ließ. Seit Herbst letzten Jahres hatte sich abgezeichnet, dass der Verein in ernsthaften wirtschaftlichen Problemen steckt, im März war das Konkursverfahren eröffnet worden.

Von einem juristischen Vorgehen gegen den Klub möchten die Spielerinnen vorerst absehen. Ohne große Chance auf die Zahlung noch ausstehender Gehälter ist das Finale wichtiger. Die Motivation ist hoch. Nicht nur, weil damit ein sportlicher Traum in Erfüllung ginge, sondern weil eine gute Leistung in einem europäischen Endspiel den eigenen Marktwert steigert.

Dass man dieses Finale spielen kann, ist dem schwedischen Fiskus zu verdanken. Der ist mit mehr als der Hälfte der umgerechnet rund einen Million Euro Schulden der größte Gläubiger des Klubs und akzeptierte erst in letzter Minute eine „Rekonstruktionsfrist“. Diese Gnadenfrist sicherte dem Verein die Lizenz für die laufende Saison, die, wie in Schweden üblich, erst mit dem Kalenderjahr zu Ende geht. Doch dann droht der Zwangsabstieg in die zweite Liga – falls Tyresö FF überhaupt weitermachen kann.

Ein letzter Strohhalm soll nun ein „Entwicklungshilfeprojekt“ mit dem nigerianischen Fußballverband sein. Dieser soll angeblich bereit sein, fast eine halbe Million Euro jährlich zu zahlen, um beim schwedischen Erstligisten nigerianische Spielerinnen und TrainerInnen ausbilden lassen zu können. Nach der bisherigen Vorgeschichte würde es allerdings kaum verwundern, wenn auch dieser Rettungsballon platzen sollte.

Wirtschaftliche Kompetenz lässt Tyresö in jedem Fall vermissen, denn man gab rund eine Million Euro für Gehälter aus. Allein Marta, die fünffache Weltfußballerin des Jahres, und die spanische Nationalspielerin Veronica Boquete bekamen ein Jahressalär von 220.000 Euro. Zu viel. Als „wirtschaftliches Doping“ wird das Geschäftsmodell in den Medien verurteilt, und Elisabeth Gunnarsdottir, Trainerin beim Ligakonkurrenten Kristianstad, fragt: „Sollen wir uns jetzt auch Spielerinnen holen, die wir nie bezahlen können, nur um zu gewinnen?“ Wenn sich der Frauenfußball entwickeln soll, dürfe es Vereine wie Tyresö nicht geben, konstatiert auch Schwedens Nationalcoach Pia Sundhage.

Der schwedische Frauenfußballverband EFD sieht nun Handlungsbedarf, denn es „gefährdet den Ruf der Liga“, wie deren Vorsitzender Per Darnell feststellt. Der Verband fordert eine Senkung des Lohnniveaus und überlegt, die Einnahmen aus den Fernsehrechten nicht mehr gleichmäßig zu verteilen, sondern Vereine mit ausgeglichenen Finanzen und guter Nachwuchsförderung zu bevorzugen.

Was das Finale in Lissabon angeht, würde man den Tyresö-Spielerinnen einerseits einen Sieg gönnen, kommentiert Svenska Dagbladet. Andererseits hinterlasse es aber schon ein schales Gefühl, unter welchen Voraussetzungen erstmals seit 2008 eine schwedische Elf wieder in so einem Finale stehe. 250.000 Euro winken als Prämie für den Sieger, 200.000 bringt die Finalteilnahme. Tyresö wird davon nichts sehen. Nicht nur, weil er dieses Geld schon vorab seinen Stars vertraglich zusicherte, sondern weil Fiskus und Banken kassieren. REINHARD WOLFF