: Verbot als Wahlkampfmanöver
SCIENTOLOGY Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus fordert ein Verbot der Organisation. Wikileaks enthüllt nun: Einen entsprechenden Bundesrats-Vorstoß vor drei Jahren nahm er selbst nicht ernst
Eine alte Aussage holt Hamburgs Bürgermeister ein: Die Bundesrats-Initiative, die umstrittene Glaubensgemeinschaft Scientology zu verbieten, sei wegen der nahenden Bürgerschaftswahl aufgekommen, werde aber im Sande verlaufen. Das sagte Christoph Ahlhaus (CDU), damals noch Staatsrat der Innenbehörde, im Dezember 2007 zur örtlichen US-Generalkonsulin Karen Johnson.
Die Diplomatin vermerkte Ahlhaus’ Einschätzung in einer Depesche ans Außenministerium in Washington, in der sie über die Situation von Scientology in Hamburg berichtet. Dieses Schreiben gehört zu den Geheimdokumenten, die nun die Internetplattform Wikileaks veröffentlicht hat. Entdeckt hat die ganze Angelegenheit der britische Guardian.
Hamburgs damaliger Innensenator Udo Nagel (parteilos), hatte 2007 vehement ein Verbot Scientologys gefordert. Zunächst organisierte sich Nagel einen einstimmigen Beschluss der Hamburger Bürgerschaft, der sein Vorhaben unterstützte, und brachte das Thema dann vor die Innenministerkonferenz. Die beschloss Anfang Dezember 2007 dann tatsächlich, Material zu sammeln und ein Verbot zu prüfen. Allerdings überzeugte das Ergebnis nach einem Jahr Recherche die anderen Minister nicht.
Das Thema Scientology sei sehr beliebt bei den Wählern, zitieren die US-Dokumente Ahlhaus. War die Initiative also eine reine Wahlkampfaktion, wie jetzt die Hamburger SPD-Fraktion vermutet? Ahlhaus’ Sprecherin wiegelt ab: Der Senat halte ein Verbot „weiterhin für sinnvoll“, Ahlhaus habe das Thema zuletzt im April diesen Jahres angesprochen – da war Ahlhaus noch selbst zuständiger Senator. Nur leider sei das politisch nicht durchsetzbar.
„Hier drängt sich der Eindruck auf: Ahlhaus hat die Bürgerschaft und die Öffentlichkeit bewusst getäuscht“, sagt Andreas Dressel, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. „Der durch die Depesche entstandene Eindruck untergräbt einmal mehr die politische Glaubwürdigkeit des Ersten Bürgermeisters.“ Dressel will das Thema morgen bei der nächsten Innenausschuss-Sitzung auf die Tagesordnung bringen. DKU
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