ST. OBERHOLZ, MITTE: Schätze im Unterholz
Strahlend kommt der Chef vom St. Oberholz am Rosenthaler Platz durch den Schnee gestapft, unter dem Arm trägt er einen Packen Papiere, Hefte und Notizbücher. „Fundstücke aus dem Oberholz!“, sagt er mit leuchtenden Augen. „Das würde mich aber interessieren!“, erwidere ich. Er schüttelt den Kopf. „Das sind alles Schätze.“ Er überlege, ein Buch daraus zu machen. Ich muss mich mit den Schätzen aus dem Fundbüro auf der Internetseite von „Oberholz“ begnügen.
Äußerst liebevoll werden dort vergessene Dinge beschrieben und mit Kommentaren versehen. Das geht vom Dracula-Gebiss über einen Tampon und eine Papiertüte mit drei Höschen, eins „Modell Madem“, zwei „Modell Charl“, bis zu lila Handschuhen mit deutlichen Gebrauchsspuren. „Es wäre durchaus angebracht, sie einem Waschgang zu unterziehen.“
Geradezu euphorisch wird ein Teigausroller aus Plastik vorgestellt, auf dessen Rolle sich Reliefs von Tom & Jerry befinden. „Wir wollen unbedingt wissen: Wo kann man diese Teigrollen beziehen?“ Sehr rührend auch die Postkarte mit einer Fotocollage einer Barbie-Puppe. „Hallo Madeleine, hier sitz ich nun mit Blick auf den Rosenthaler Platz. Die Stadt ist voller Kunst! M.“ Mit einer Adressangabe „hätten wir das gute Stück längstens schon in die Post gesteckt“. Nicht vergessen werden soll der halbe 10-Euro-Schein. „Sollte der Besitzer der anderen Hälfte sich nicht bei uns melden, sind wir gerne bereit, unsere Hälfte für 5 Euro zu verkaufen“, bieten die Betreiber des ehemaligen Burger King an.
Aus einem Notizbuch wird ein Cartoon eines Mannes gezeigt, „der sich die Zähne und die Toilette gleichzeitig mit den jeweils dafür spezialisierten Bürsten reinigt“. Dazu heißt es: „Beidhändig – für mehr Effektivität?“ Die Macher vom „Oberholz“ halten das für eine gute Idee, „um allen unseren Gästen mehr Freizeit und Lebensfreude zu ermöglichen“.
BARBARA BOLLWAHN
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