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Gen-Akten nach Plan entsorgt

Die Unterlagen zu ehemaligen Gen-Feldern in Nordrhein-Westfalen sind zum Teil vernichtet, sagt das Bundessortenamt. Naturschützer schalten Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer ein

VON DIRK ECKERT

22 ehemalige Gen-Felder in Nordrhein-Westfalen sind möglicherweise für immer unauffindbar. Angeblich hat die für die Genehmigung zuständige Behörde, das Bundessortenamt in Hannover, selbst keine genauen Ortsangaben zu den Versuchsfeldern, auf denen vor 2004 gentechnisch veränderter Mais und Raps angebaut wurden. Zudem sind offenbar wichtige Akten unwiederbringlich verloren. Nach Auskunft der Behörde sind die letzten verbliebenen Genehmigungsunterlagen aus den Jahren vor 2001 kürzlich vernichtet worden.

In insgesamt 42 Fällen wurden zwischen 1996 und 2004 gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, hatte die Landesregierung im Oktober auf Anfrage der Grünen mitgeteilt. Dabei handelte es sich um so genannte Wertprüfungen. Mit ihnen wird ermittelt, wie ertragreich eine Pflanze unter den gegebenen Umweltbedingungen ist. Die Versuche sind Teil des Zulassungsverfahrens.

In 22 Fällen machte das Landesumweltministerium allerdings keine Angaben zur genauen Lage der Versuchsfelder. Lediglich die Gemeinde oder der Kreis wurden genannt. Mehr sei vom Bundessortenamt nicht zu erfahren gewesen, hieß es letzte Woche zur Begründung aus dem NRW-Umweltministerium (taz berichtete). „Wir müssen mit dem leben, was man uns mitteilt“, so Sprecher Markus Fliege.

Doch das Bundessortenamt will die genaue Lage der Grundstücke nie gekannt haben. Angaben zu Gemarkung oder Flurstück gebe es nur „im Einzelfall“, sagte Behördenmitarbeiter Volker Klemm der taz. Das „wird von uns jedoch nicht gefordert, weil es für die Prüfungsauswertung nicht relevant ist“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bezweifelt diese Aussagen. So verlange eine Richtlinie des Bundessortenamtes aus dem Jahr 2003 genaue Ortsangaben, argumentiert Ralf Bilke vom BUND. Im selben Jahr wurde laut NRW-Umweltministerium unter anderem in Borken, Geldern und Greven Gen-Mais angebaut. Also müssten genauere Angaben vorhanden sein, schlussfolgert Bilke.

Für die Zeit vor 2001 wird sich wohl nicht mehr klären lassen, welche Informationen das Bundessortenamt zur Genehmigung von Wertprüfungen verlangt hat. Der Jahrgang 2000 sei vor kurzem „turnusgemäß vernichtet“ worden, sagte Klemm der taz. „Leider sind diese Unterlagen nach geltenden Aufbewahrungsvorschriften nur noch aus den letzten sechs Jahren vorhanden.“

Der BUND hat deswegen Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) eingeschaltet, dem das Bundessortenamt untersteht. Die Behauptung, es gebe keine Daten zu Anbauflächen, sei „absolut unglaubwürdig“, schrieb der BUND am 27. November 2006 an Seehofer. Die ihm unterstellte Behörde verstoße gegen die Informationspflichten gemäß Umweltinformationsgesetz. Eine Antwort aus dem Hause Seehofer steht noch aus. Gegenüber der taz lehnte eine Sprecherin eine Stellungnahme aber ab. Der Fall sei schon „historisch“. „Der richtige Ansprechpartner ist das Bundessortenamt.“

Der BUND schreibt nun die Gemeinden und Kreise an, um die geheimen Felder aufzuspüren. Womöglich habe sich der gentechnische veränderte Raps im Kreis Paderborn und Biemsen mit anderen Rapssorten gekreuzt, warnt Bilke. Doch die Kommunen wissen oft auch nicht Bescheid: Das Bundessortenamt habe alles „so organisiert, dass niemand etwas erfuhr“, kritisiert er. „Die Gentechnikbetreiber waren dadurch keiner ihnen lästigen Diskussion ausgesetzt.“

Eine Einladung des Bundessortenamtes, selbst in den Archiven nach entsprechenden Unterlagen zu forschen, hat Bilke ablehnt. Das sei doch nur „Show“, sagte er der taz. „Entweder haben sie die Informationen, dann müssen sie sie vorlegen, oder eben nicht.“

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