: Pleitefirma bewachte Gorleben
Erstes Geständnis im Heros-Prozess. Gewerkschaftsfeindlichkeit als Erfolgsrezept
HILDESHEIM taz ■ Im Prozess um die 400-Millionen-Euro-Pleite des einst größten deutschen Geldtransportunternehmens Heros hat es gestern vor dem Landgericht Hildesheim das erste umfassende Geständnis gegeben. Ein ehemaliger Heros-Niederlassungsleiter aus dem rheinländischen Viersen gab seine Beteiligung an dem Schneeballsystem zu. Mit der Masche hat die Heros-Spitze immer wieder den Transport anvertrauter Kundengelder veruntreut, um alte Verbindlichkeiten bei Kunden sowie alle Betriebsverluste abzudecken. Der 55-Jährige gab anders als der zuvor vernommene Heros-Chef auch zu, rund 10 Millionen Euro Kundengelder privat abgezweigt zu haben, und fügte reuig hinzu: „Es kann auch mehr oder weniger gewesen sein.“
In dem Prozess müssen sich insgesamt vier Angeklagte wegen gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Untreue und genau 282 Straftaten mit einem Schaden von 250 Millionen Euro verantworten. Den Aufstieg zum größten deutschen Sicherheitsunternehmen hatte Heros seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und dem atomaren Zwischenlager Gorleben zu verdanken, sagte Heros-Gründer Karl-Heinz Weis.
Firmengründer Weis war Ende der 70er-Jahre als Autoverkäufer in Hannover tätig und betrieb das Sicherheitsunternehmen zunächst nebenberuflich. Zufällig lernte er dann den Chef der Deutschen Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung Kernbrennstoffen DWK, Günter Scheuten, kennen, der Weis den Auftrag zur Bewachung des atomaren Zwischenlagers vermittelte. 150 Heros-Leute waren für die Überwachung tätig.
Anschließend folgte der Einstieg ins Geldtransportgeschäft in Hamburg. Nach Angaben der Angeklagten waren die Geldfahrer 300 Stunden im Monat und mehr unterwegs. Es gab keine geregelten Arbeitszeiten, keine Tarifverträge, und von der Gewerkschaft hielten alle in Hildesheim Angeklagten gar nichts. Bei 60 Prozent des deutschen Handels holte Heros schließlich das Geld ab. Allerdings war die auch von Weis beklagte „Geiz ist geil“-Mentalität der Heros-Kunden so groß, dass das Dumping-Unternehmen seit Mitte der Neunzigerjahre Verluste machte und diese über anvertraute Kundengelder immer aufs neue zwischenfinanzierte. JÜRGEN VOGES
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