: Am Anfang ein großer Sprung
Der Aufbau eines ersten hochschulübergreifenden Zentrums Tanz hat die erste Hürde genommen. Im April 2007 kann das Studium beginnen
Stellen Sie sich vor: Sie gehören zu den ersten Studierenden des neu eingerichteten Bachelor-Studiengangs „Zeitgenössischer Tanz, Kontext, Choreografie“ am frisch gegründeten Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz in Berlin. Das Erste, wozu Sie aufgefordert werden, ist: E-Mails schreiben. Fragen stellen. Neugierde zeigen. Dozenten und Professoren kennen lernen wollen. Wie trainierst du, was bedeutet Technik für dich, was hat sich geändert in den Jahren deiner Künstlerkarriere? Was siehst du, wenn du Tanz siehst; was fühlst du, wenn du tanzt?
Bis zum 15. Januar 2007 läuft die erste Bewerbungsfrist für die neue Ausbildung, die im April 2007 mit einem zweiwöchigen „Work of Correspondence“ beginnen will. Da ahnt man es schon, dass nicht die physische Virtuosität, nicht das hochgestreckteste Bein den Ehrgeiz der Lehre bilden, sondern eine Vorstellung von Tanz als vielseitiger und offener Kunstform. Bewegungsschulen und Techniken sollen vermittelt und die Trainingsmethoden verstanden werden; Schlüsselwerke der neueren Tanzgeschichte sollen aus eigener körperlicher Erfahrung und in ihrer Rezeption begriffen werden. Projektideen zu formulieren, Produktionsbedingungen zu recherchieren – all das gehört mit der Entwicklung von Choreografien zu den Studienzielen.
An diesem Konzept wurde seit April gearbeitet. Im Februar hatte der Tanzplan, eine Förderinitiative der Kulturstiftung des Bundes, einen ersten Teilbetrag für die Entwicklung des Konzeptes zugesagt; jetzt wurden 772.700 Euro Fördermittel für die Pilotphase bis Ende 2009 bewilligt. Damit ist der erste große Sprung getan. Weitere Träger der neuen Schule (mit einem Etat von 2,2 Millionen Euro) sind die Universität der Künste und die Schauspielschule Ernst Busch. Ab 2010 soll die Zukunft des Zentrums durch Hochschulverträge gesichert werden. Ein Ort ist auch gefunden, ein zweigeschossiges Gewerbegebäude aus den Siebzigerjahren mit 6.000 Quadratmetern in der Köpenicker Straße. Für den Umbau wurde ein Antrag an die Stiftung Lotto gestellt.
Mit Eva-Maria Hoerster, die lange Jahre in der Tanzfabrik Berlin engagiert war, als geschäftsführender Direktorin leiten der renommierte französische Choreograf Boris Charmatz und der Berliner Choreograf Ingo Reulecke das Zentrum. Zu den berufenen Lehrkräften gehören Steve Paxton, ein amerikanischer Pionier der Improvisation, der Tanzkritiker Franz Anton Cramer und sehr junge sowie lange bekannte Choreografen aus Berlin. Schon in dieser Besetzung spiegelt sich der Wunsch nach unterschiedlichen Zugriffen wider. Die Kunst will hier ständig von ihrer kritischen Reflexion und Vermittlung begleitet werden.
Hoerster legt denn auch das Berufsfeld, für das man jetzt die ersten 17 Studenten annehmen will, möglichst weit aus: Tänzer und Choreografen natürlich, aber auch Tanzpädagogen, -manager und -wissenschaftler.
KATRIN BETTINA MÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen