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Klopp stürmt den Platz, Heynckes bleibt sitzen

Im Borussia-Park bieten Mönchengladbach und Mainz ihr traditionelles Abstiegskampf-Remis. Obwohl die Elf vom Niederrhein nicht mehr gewinnen kann, hält die Vereinsführung an der unantastbaren Clublegende Jupp Heynckes fest

GLADBACH taz ■ Borussia Mönchengladbach und Mainz 05 spielten am Samstag wieder einmal Unentschieden – nicht zum ersten Mal im Abstiegskampf. Das Déjà-vu am Niederrhein vor 44.165 Zuschauern im Borussia-Park gibt beiden Teams zumindest die Hoffnung, dass alles wieder gut wird. So wie im Frühjahr 2005, als die Gladbacher und Mainzer unter ähnlichen Umständen wie diesmal aufeinander trafen, 1:1 spielten und am Ende beide die Klasse hielten. Das scheint allen gut gefallen zu haben, denn auch diesmal gab es wieder ein überaus trübes Spiel, in dem Gladbach führte und Mainz kurz vor Ladenschluss ausglich. Damals durch Michael Thurk in der Nachspielzeit, diesmal durch Ranisav Jovanovic in der 89. Minute.

Und weil es wieder so schön war, vergaß Gästetrainer Jürgen Klopp nach Jovanovics Kopfballtor sein beheiztes Trainerbänkchen und sprintete wie von Sinnen über den Rasen. So wie an jenem 16. April 2005, als er sich zum Abschluss seines Jubellaufs auf den Hosenboden setzte und in eine Werbebande rauschte. „Es war eine ganz ähnliche Situation wie damals, ein ähnliches Tor von uns. Aber ich habe mir nicht gedacht: Jetzt beende ich das Ganze auch ähnlich“, behauptete Klopp später. Hat er ja auch nicht: Den Rutscher in die Reklametafel ließ er diesmal aus und beließ es bei einem lustvollen Tritt gegen die Bande.

Vor eineinhalb Jahren vermieden die Kontrahenten vom Samstag jeweils den Abstieg: Die Mainzer mit Klopp – und die Gladbacher, weil sie sich zwei Tage nach dem 1:1 mit dem damaligen Trainer Dick Advocaat auf dessen Rücktritt einigten. Dieses Schicksal wird ihrem aktuellen Coach nicht widerfahren. Beim nächsten vorweihnachtlichen Abstiegsduell in vier Tagen in Bochum wird die Gladbacher Vereinslegende Jupp Heynckes („In der zweiten Halbzeit hat sich die Nervosität meiner Mannschaft bemächtigt“) auf alle Fälle auf der Bank sitzen – auch wenn seine Vorgesetzten ganz und gar nicht zufrieden sind mit der Zwischenbilanz des 61-jährigen früheren Fußball-Weltmeisters. Bei einer Niederlage in Bochum überwintert die Borussia auf einem Abstiegsplatz – und genau das will Präsident Rolf Königs erklärtermaßen auf keinen Fall erleben. Unzufrieden ist auch der Sportdirektor. „Der Saisonverlauf ist enttäuschend, wir haben viel zu wenig Punkte“, schnaufte Peter Pander und zeigte wie gehabt Verständnis für den Gladbacher Anhang: „Die Pfiffe der Fans sind berechtigt.“

Selbst das Toreschießen müssen die Gegner den Gladbachern (neun Spiele ohne Sieg) inzwischen abnehmen: Bei Mainz erledigten das Torwart Christian Wetklo und Rechtsverteidiger Christian Demirtas in Kooperation: Wetklo, der erst vor einer Woche Stammkeeper Dimo Wache verdrängt hatte, ließ in der 17. Minute eine Flanke des Borussen Oliver Kirch durch die Finger gleiten, als habe er nicht einen Ball, sondern einen Aal zu bändigen. Das Spielgerät landete bei Gladbachs Angreifer Kahê, der Demirtas anschoss und den Mainzer so geradezu zu seinem Eigentor nötigte.

„Natürlich war das ein Torwartfehler. Aber wir werden jetzt sicher keine neue Torwartdiskussion anstellen“, betonte Manager Heidel, nachdem die Gäste noch einmal glimpflich davon gekommen waren. Nicht zuletzt dank ihres Trainers, der in der Pause mit warmem Popo und heißem Herzen vor seine Mannschaft getreten war. „Ich habe rumgebrüllt – weil die Gefahr bestand, dass wir wegknicken“, berichtete Klopp, der nach dem Gebrüll noch eine Empfehlung an seine Elf aussprach: „Ich habe gesagt: Wer nicht sieht, was hier heute möglich ist, muss blind und taub sein.“ Und das haben seine Spieler dann ja offensichtlich begriffen.

ANDREAS MORBACH

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