piwik no script img

NormalzeitHELMUT HÖGE über lokal versus global

Von Kreuzberger Pinselquälern zu internationalen Projekte-machern – und zurück

Im linken Flügel des Künstlerhauses Bethanien ging gerade die 19. Juryfreie Kunst- und Verkaufsausstellung „Querschnitt“ zu Ende – mit 550 Werken, darunter besonders viele Tierbilder. Verkauft wurden davon genau 25. Zur gleichen Zeit fand im rechten Flügel – im „Kunstraum“ – erneut die senatsgeförderte Ausstellung „Goldrausch“ statt mit Werken von 15 Künstlerinnen. Der Unterschied zwischen beiden war offensichtlich: Moderne Künstler(innen) nehmen heutzutage „Projekte“ in Angriff (Installationen, Videofilme, etc.). Sie sind oder werden also professionelle „Projektemacher“. Die Laien und Hobbymaler fertigen hingegen nach wie vor gerne Bilder an – mit Tusche, in Öl oder Aquarellfarben, die sie anschließend sauber rahmen.

Viele Besucher, die erst nach rechts in den Kunstraum zu „Goldrausch“ gingen und dort beispielsweise auf Projektionen stießen, auf zerfetzte Styroporplatten und zerdeppertes Geschirr, meinten denn auch mehr oder weniger entsetzt: „Das soll Kunst sein?!“ Auf der anderen Seite, also der „Querschnitts“-Ausstellung, wo die ordentlichen Bilder hingen, beruhigten sie sich dann langsam wieder.

Seltsamerweise hängt der alte Junge Wilde vom Moritzplatz, Markus Lüpertz, inzwischen einem ganz ähnlichen Kunstbegriff wie die Laien an: Er war 1970 Stipendiat in der Florentiner „Villa Romana“ und hat diese Stätte später noch einmal besucht. 2005 berichtete er darüber in einer Rede, die Die Zeit nachdruckte. Früher, so Lüpertz, war das ein Ort, wo noch echte Maler „Bilder“ schufen, in denen sich das „Licht“ der Toskana spiegelte, „die Freude und das Glück, hier zu sein“.

Aber „heute ruinieren Projektemacher dieses Künstlerhaus“ und die „Kunstwelt wird, auch in Italien, mit Projektveranstaltungen überflutet“. Ja, „Florenz selbst wurde Projekt und somit Spielball internationaler Vergleiche und Besserwisserei, der Zeitgeist vertrieb die Faune und Nymphen …“ Konkret: Statt „Farben und Staffelei“ stellten die Stipendiaten nun zum Beispiel eine gefundene „rostige Schaufel“ da hin, die sie sodann in einen Zusammenhang mit „Kindesmisshandlung“ brachten, um so eine „Weltschuld zu konstruieren“ – also übelste Projektemacherei.

Interessant an dieser Rede ist, dass Lüpertz 1995 noch ganz anders dachte: Da hatte er großkotzig in einem SFB-Berlinalefilm mit dem Titel „Wüste Westberlin“ getönt: „Erst wir“ – die Jungen Wilden in der „Paris-Bar“ – haben „Berlin an den Weltkunstmarkt angeschlossen“. Inzwischen hat die „Paris Bar“ Konkurs angemeldet.

Schon einige Jahre zuvor war ein Gutachten des Senats über die „Berliner Kunstscene“ zu dem Ergebnis gekommen: Die vor der Wende berühmt gewordenen Künstler (in Ost- und Westberlin) seien nicht mehr angesagt – aber das mache nichts, es werde schon etwas Neues entstehen über kurz oder lang. Eine besondere Förderung brauche es dazu nicht. Die CDU ließ sich damals jedoch nicht davon abhalten, zum Beispiel den frisch in der Hauptstadt eingetroffenen Jungkurator Klaus Biesenbach und seine „Kunst-Werke“ in Mitte besonders zu fördern. Kurz darauf verkündete Ober-CDUler Klaus Landowsky: „Die interessante Scene“ habe sich nach Mitte verlagert, während in Kreuzberg nur „Junkies, Gewalt und Ausländer zurückblieben“.

Unter dieser Wichtig-wichtig-Verschiebung leiden seitdem die dort zurückgebliebenen Kunstinstitutionen – die NGBK in der Oranienstraße, der Kunstraum und das Künstlerhaus Bethanien. Für sie werden das Geld und die mediale Aufmerksamkeit knapper. Sie haben sich zusammengetan, um gemeinsam stark zu sein, das heißt, um nicht den Anschluss an den „Weltkunst“-Projektbetrieb zu verlieren. Dem stehen jedoch einige Bezirkspolitiker entgegen, indem sie sich für das Verbleiben einiger Hausbesetzer im linken Bethanienflügel engagieren – demnächst mit einem „Runden Tisch“, der aus dem Bethanien ein soziokulturelles „Kiezprojekt“ machen soll, das bestenfalls den lokalen „Kunstmarkt“ bedient, so wie die „Querschnitte“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen