SHEILA MYSOREKAR POLITIK VON UNTEN: Von hier ist, wer den Sauerbraten kennt
Manchmal kann man sie schon erleben, die schöne neue Welt, wo Ausländer einheimischer aussehen als die Einheimischen. In einem Brauhaus etwa, mitten in Köln
Was ich mir fürs neue Jahr wünsche? Außer dem Üblichen – üppige Lottogewinne, muskulöse Männer, Friede auf Erden – möchte ich 2011 endlich die gelungene Integration der Deutschen feiern. Ich hab’s im Gefühl, dieses Jahr ist es so weit. Neulich hatte ich ein Erlebnis, da wurde mir klar: Hier ist sie schon, die schöne neue Welt!
Das kam so: Wir gingen mit einer Gruppe Freunde in ein Kölner Brauhaus. Das ist ein Ort mit stabilen Holztischen, Bier vom Fass und „jutbürjerlische Küsche“, wie der hiesige Ureinwohner sagt. Wir waren zwölf Leute, Rheinländer in allen Farben und Formen, mit diversen, deutlich erkennbaren Migrationsvordergründen. Ein Österreicher war auch dabei. Mit unserer Ankunft stieg die ethnische Vielfalt schlagartig um hundert Prozent. Die junge, blonde Kellnerin erkannte schnell, dass wir Einheimische waren. Wir wussten, dass „Halve Hahn“ kein halbes Hähnchen, sondern Roggenbrötchen mit Käse ist – echtes Eingeborenenwissen. Sie schäkerte mit uns, brachte in hoher Schlagzahl Stangen – so nennt man hier ein Glas Kölsch, ach so, für Ortsfremde: Kölsch heißt das Bier – und wir hatten einen wirklich netten Abend. Als die Kellnerin abrechnete, fragte sie auf einmal den weißen (!) Österreicher: „Und wat bis du für einer?“ Der kam aus Vorarlberg und gab das auch sofort zu.
Diese Frau ist ein hervorragendes Beispiel erfolgreicher Integration. Hautfarbe oder Kopfbedeckungen waren ihr egal. Sie erkannte die Realität: Da sitzen Menschen, schwarz, asiatisch oder mediterran, aber definitiv Leute von hier, die wissen, dass ein Sauerbraten aus Pferd gemacht wird und die sich nicht davor ekeln. Also Rheinländer. Und dann sitzt da ein Weißer, der den Unterschied zwischen Kölsch und Pils nicht kennt und mit komischem Akzent redet. Also ein Ausländer. Klare Sache.
Glückwunsch an diese Kellnerin: Sie lebt in der Realität.
Und mein Wunsch für die vielen Integrationsverweigerer – Sarrazin, Seehofer, Merkel und so weiter: Dass sie es ebenfalls schaffen, ihre vollständige Eingliederung in das multiethnische Deutschland von 2011. Wär ja zu schade, wenn Multikulti an den integrationsunwilligen Deutschen scheitern würde.
■ Die Autorin ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Foto: Firat Bagdu
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