press-schlag: Die Lage der Liga
Muffensausen, Volksverdummung, Krisengerede und Schweigegelübde – was in der Hinrunde alles nicht passierte
Irgendetwas passiert in dieser Hinrunde? Nicht wirklich, oder?
Okay, die Schalker haben geschwiegen wie Trappisten, der Hamburger SV hat sich in die Krise manövriert wie ein Trawler ohne Lotse, der Renommiertrainer Jupp Heynckes ist mit seinem Latein am Ende, es hat Neue und Neuere im Tor gegeben, der fröhliche Patriotismus wurde von einem Gelehrten endlich als Element der „Volksverdummung“ geoutet, die Presse darf nicht mehr zu jeder Mitgliederversammlung, das ZDF-„Sportstudio“ passt sich dem Niveau Cottbusser Kicks an, Angela Merkel hat sich als echter Fußballfan zu erkennen gegeben, das Sommermärchen wurde noch einmal vor zig Millionen fröhlichen Patrioten aufgeführt, Jürgen Klinsmann, der die Polen durch die Wand geknallt, Ekuador eins auf die Fresse gegeben hat und bei den Argentiniern Muffensausen bemerkte, schämt sich für diesen Streifen offenbar so sehr, dass er sich nicht mal zu den Amis traut, dem FC Bayern wurde eine „niedliche“ Transferpolitik unterstellt, der SC Freiburg löst sich aus einem symbiotischen Verhältnis und schickt den aufrechten Volker Finke am Saisonende zum Studium großer Fußballphilosophen in den Ruhestand, Robert Hoyzer und Ante Sapina sind keine Gauner, sondern Betrüger und müssen hinter Gitter, der Deutsche Fußball-Bund kämpft mit einer „Task Force“ gegen urplötzlich in den Stadien auftretende Schläger und Rassisten, Utz Claasen von EnBW besticht erst ein paar Politiker mit WM-Tickets und darf dann medienwirksam den Lehmann’schen Spickzettel für eine Million Euro kaufen, die Schwellenländer Portugal und Rumänien bedrohen Deutschland in der Uefa-Fünfjahreswertung, Oliver Bierhoff, Vermarktungsoffizier der Nationalmannschaft, steigt im Rang, auf Bundestrainer Jogi Löw werden Gedichte verfasst, die Nürnberger Presse ist bestens unterhalten, Schiedsrichter pfeifen sicherlich aus gutem Grund pünktlich nach neunzig Minuten ab (siehe auch Hoyzer und Sapina), Bremen spielt den schönsten Fußball, Uli Hoeneß hat seine eigene Meinung dazu, Jürgen Klopp hat einen blinden Fleck, die Mainzer Fans gehen mit einer Laterne, ihr Klub mit der roten, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist für manche ein Fatzke, Hertha BSC Berlin soll in dieser Runde auch mitgespielt haben, Aachen hat nicht nur Printen, Bielefeld nicht nur schlaue Soziologen, Borussia Dortmund vermisst ein großes Transparent, Miroslav Klose trifft so oft wie Marko Pantelic, der VfL Wolfsburg hat die beste Abwehr und den schlechtesten Sturm und erfreut sich im Allgemeinen abnehmender Beliebtheit, der Ball ist rund, RUND hat über homosexuelle Profis geschrieben und Oliver Kahn darf vorzeitig in den Winterurlaub.
Aber sonst? Nichts Neues. Nirgends. MARKUS VÖLKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen