SITTENVERFALL: Frauchen Arrogant
Ich traute meinen Augen nicht. Von meinem Platz am Fenster des Cafés in Friedrichshain, wo ich oft arbeite, sah ich, wie eine Frau in schwarzer Hose und weinrotem Jacket wichtig, wichtig mit ihrem Handy telefonierte, während ihr Hund in den Blumenrabatten erst ein kleines, dann ein großes Geschäft verrichtete und schließlich die Erde mit den Hinterbeinen im hohen Bogen durch die Gegend warf. Das Tier sah reinrassig aus, von erhabenem Grau und auf hohen Beinen, um das Maul einen Korb, das Fell gepflegt und frisiert, als würde Frauchen einen Teil ihres Gelds beim Hundefriseur lassen.
Der Cafébesitzer fragte höflich, ob das ihr Hund sei. „Sie sehen doch, dass ich telefoniere!“, blaffte sie ihn an. Hysterie lag in der Sommerluft und vermischte sich mit dem Geruch von Hundekot. Die Arroganz und Ignoranz dieser Frau, die ihren Hund mit Füßen treten ließ, was andere liebevoll angelegt hatten, brachten mich auf die Palme. „Sie räumen das weg“, forderte ich sie auf und zeigte auf die Kackwürste, die ihr Fiffi ins Beet gesetzt hatte.
Auf diese Aufforderung reagierte Frauchen so aggressiv, als sollte ihr Liebster eingeschläfert und unter seinen eigenen Darmausscheidungen begraben werden. Den Hinweis, dass die Pflege der Beete Zeit und Geld kostet, quittierte sie mit der Forderung, den Nachweis der Baumpatenschaften sehen zu können. Den Gefallen tat der Cafébesitzer der Frau nicht. Schließlich zog sie – mit den Hinterlassenschaften ihres Hundes in einer Plastiktüte – schimpfend von dannen.
Kurz darauf kehrte sie zurück. In der Hand hielt sie, wie eine Trophäe, die Tüte. „Das werde ich dann wohl hier entsorgen können!“, rief sie triumphierend in der Mitte des Cafés. „Nein, das können Sie nicht“, entgegnete der Cafebesitzer ruhig und forderte sie auf, seinen Laden zu verlassen. Ob sie wollte oder nicht, musste sie den Scheiß noch einige Meter weiter tragen.BARBARA BOLLWAHN
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