: Die Demokratie im Betrieb funktioniert
Mitbestimmung in den Aufsichtsräten großer Firmen hat sich bewährt, findet die Biedenkopf-Kommission. Arbeitgeber sehen das anders. Bundesregierung will verbieten, dass ehemalige Vorstände sich als Aufsichtsrat später selbst kontrollieren
VON BEATE WILLMS
Entwicklungsfähig, aber nicht grundlegend änderungsbedürftig – so sieht eine Kommission unter Leitung des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf das deutsche Modell der Unternehmensmitbestimmung. Die Kommission war noch von Rot-Grün eingesetzt worden. Gestern übergab Biedenkopf den Abschlussbericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Weder die Größe der Aufsichtsräte noch die paritätische Verteilung der Posten an Kapitalgeber und Arbeitnehmer stellen demnach im internationalen Wettbewerb ein Problem dar. Nur an zwei Punkten sehen die Experten Verbesserungsbedarf: Künftig sollen in Konzernen mit größeren ausländischen Standorten auch die dortigen Beschäftigten den Aufsichtsrat mitwählen und auch eigene Kandidaten aufstellen dürfen. Zudem empfiehlt die Kommission einen Korridor für abweichende vertragliche Regelungen in einzelnen Konzernen.
Allerdings hat das gut 90 Seiten starke Papier einen Schönheitsfehler: Die eigentlichen Empfehlungen nehmen nur die Hälfte des Platzes ein. Die andere brauchen Arbeitgeber und Gewerkschaften für ihre abweichenden Stellungnahmen. Sie waren Mitte November aus dem ursprünglich gemeinsamen Gremium ausgeschieden, das Vorschläge erarbeiten sollte, wie das Mitbestimmungsgesetz von 1976 an die Anforderungen der Globalisierung angepasst werden kann. Die Arbeitgebervertreter hatten darauf bestanden, die paritätische Mitbestimmung grundsätzlich abzulösen und die Zusammensetzung des Aufsichtsrates in jedem Unternehmen einzeln zu verhandeln. Im Konfliktfall sollten den Arbeitnehmern ein Drittel der Plätze gesetzlich garantiert werden. Die drei wissenschaftlichen Kommissionsmitglieder hatten dann beschlossen, allein Empfehlungen zu verabschieden.
In ihrer Stellungnahme erklären die Arbeitgeber, der nun vorgelegte Bericht entspreche nicht dem Auftrag, die deutsche Unternehmensmitbestimmung „modern und europatauglich“ zu entwickeln. Zufriedener zeigen sich die Arbeitnehmervertreter. Es sei richtig, die Aufsichtsräte für ausländische Belegschaften zu öffnen. Skeptisch sind sie bei dem empfohlenen Korridor für Verhandlungslösungen. Abweichungen sollten prinzipiell nur nach oben – also mit mehr Mitbestimmungsrechten – stattfinden, fordern sie. Biedenkopf bedauerte das Scheitern der gemeinsamen Kommission, sah aber den „Wert der Vorschläge“ nicht „wesentlich beeinträchtigt“.
Die große Koalition steht also wieder vor dem Problem, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Womöglich hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder aus diesem Grund erklärt, die Bundesregierung plane, den Wechsel von Vorstandschefs in den Aufsichtsratsvorsitz desselben Unternehmens gesetzlich einzuschränken. Die Initiative befinde sich noch „in einem frühen Stadium“, sei aber mit seinem SPD-Kollegen Peter Struck abgesprochen. Das Ansinnen ist nicht neu. Aktionärsvereinigungen fordern schon lange eine entsprechende Regelung, weil sie Interessenkonflikte befürchten. Aktuell verweisen sie auf die Probleme bei Volkswagen und Siemens. Bei VW sitzt Ex-Vorstandschef Ferdinand Piëch nun dem Aufsichtsrat vor und baut den Vorstand um, der mit seinem Erbe nicht zurecht kam. Bei Siemens soll Heinrich von Pierer eine Korruptionsaffäre aufklären, die in seine Amtszeit als Vorstandschef fällt. Obwohl auch der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt, den direkten Übergang zu vermeiden, werden 14 von 30 Aufsichtsräten der Dax-Unternehmen von früheren Vorstandschefs geführt.
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