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INDONESIENS KICKKRISEWegschwimmende Bälle

Über Ball und die Welt

MARTIN KRAUSS

Kinderhooligans zerstören den indonesischen Fußball. So jammert Bay Rafli Amar, der Sprecher der Polizei in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. „Wir nehmen gerade mal die Personalien auf und konfiszieren ihre Waffen“, sagt er. „Aber sie dürfen weiter das Spiel sehen.“

Der indonesischen Polizei dient die Klage, dass man Kinder leider nicht einfach wegsperren darf, als Begründung für das peinliche Eingeständnis, Gewalt, die rund um den Fußball herrscht, nicht in den Griff zu bekommen. Zuletzt fiel das auf, als die Nationalmannschaft das Finale der Asean-Meisterschaft gegen Malaysia erreicht hatte. Ende Dezember fand das entscheidende Rückspiel statt, nachdem Indonesien das Hinspiel in Malaysia mit 0:3 verloren hatte. Tausende Fans warteten stundenlang vor dem über 80.000 Menschen fassenden Bung-Karno-Stadion von Jakarta, um Tickets zu erhalten. Vergeblich. Ein indonesischer Fan starb sogar in der Schlange. Dass es keine medizinische Hilfe für den Mann gab, ließ die Stimmung der Fans nicht besser werden. Irgendwann kletterten etliche von ihnen – vielleicht waren auch Kinder dabei – über den Zaun und erzwangen sich die Teilnahme an dem Spiel, das Indonesien mit 2:1 gewann. Das Finale war verloren.

Es brodelt im indonesischen Fußball. Die PSSI, der offizielle Fußballverband, bemüht sich, den Spielbetrieb halbwegs aufrechtzuerhalten. Zwar ist die PSSI Mitglied des Weltfußballverbands Fifa, doch der hat dem Land gerade bescheinigt, für die Ausrichtung einer WM nicht mal halbwegs in die nähere Auswahl gekommen zu sein. 2022 wollte Indonesien WM-Gastgeber werden, bekanntlich wird es Katar. In Indonesien, so teilte die Fifa mit, fehle es an staatlicher und sonstiger Unterstützung.

Daran fehlt es der PSSI in der Tat. Seit Jahresbeginn ist ein Konkurrenzunternehmen zu ihrer Super League am Start: die indonesische Premier League, abgekürzt LPI und finanziert von Arifin Panigoro, einem indonesischen Milliardär. Die PSSI erkennt die neue LPI nicht an, erklärt sie für illegal und verkündet, sie wolle die Spieler, die dort antreten, für die Nationalmannschaft sperren. Zu allem Überfluss verlangt die PSSI sogar von der Regierung, gegen die LPI vorzugehen. Doch die will nicht. „In unseren Ermittlungen sind wir zu dem Ergebnis gekommen“, erklärt Polizeigeneral Ito Sumardi, dass kein Verbrechen vorliegt.“ Fußball, auch außerhalb des Verbandes, ist auch in Indonesien nicht illegal.

Eine Schlappe für die Funktionäre der PSSI, der Fußballbetrieb gerät weiter aus den Fugen. Das Eröffnungsspiel der LPI musste von tausend Polizisten geschützt werden. „Die LPI wird den nationalen Fußball in ein profitables Geschäft verwandeln“, prognostiziert Arifin Panigoro, Chef und Sponsor des Projekts. „So wird er attraktiv für große Firmen.“ Zu den 19 Vereinen, die sich seiner Profiliga angeschlossen haben, gehören auch drei Klubs, die bislang in der Super League gespielt haben. Abtrünnige also. Und auch einige Nationalspieler kicken sich frei.

Der PSSI schwimmen die Bälle davon: Ihre Liga ist zu schwach. Auch ihre Nationalmannschaft kann nicht die erhofften Erfolge aufweisen. Der Versuch, wenigstens als Ausrichter einer WM im Weltfußball mitwirken zu können, wurde von der Fifa vereitelt und von der Regierung nicht mitgetragen. Und jetzt präsentiert sich sogar eine attraktive, kapitalistisch organisierte Konkurrenz. Dass die wirklich eine gute Alternative darstellt, ist nicht sehr wahrscheinlich. Dass aber mit der PSSI das Ziel der indonesischen Fußballfans, einmal beim großen Fußball dabei sein zu können, garantiert nicht erreichbar ist, wissen sie alle.

Es geht im indonesischen Fußball halt um das, worum es immer und überall auf der Welt geht: die Teilhabe an allem, was schön und gut ist.

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