: Die Junta verordnet Glück
THAILAND Das Militär setzt auf eine Charmeoffensive. Das täuscht aber nicht darüber hinweg: Das Land ist in kürzester Zeit zur Diktatur verkommen
■ ist Südostasien-Korrespondentin der taz. Sie lebt seit 2002 in Bangkok, Thailand, und berichtet von dort über Politik, Soziales und Menschenrechtsfragen, von Birma bis zu den Philippinen.
Vergnügen hat im „Land des Lächelns“ seit dem Putsch vom 22. Mai bizarre Züge angenommen. Thailands Militär organisiert Festivals mit nationalistischen Gesangseinlagen und kostenlosem Essen. Außerdem hat die Junta angeordnet, dass alle Spiele der Fußball-WM live im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt werden. Brot und Spiele eben. Auch die Ausgangssperre wurde im Zuge der von den Putschisten eingefädelten „Happiness-Campaign“ aufgehoben.
Nur nicht von Putsch reden
Armeechef Prayuth Chan-ocha hat bis September eine Übergangsregierung angekündigt, außerdem sollen „politische Reformen“ erarbeitet werden. Die Behauptung der neuen Machthaber, das System eines frei gewählten Parlaments habe sich als untauglich für Thailand erwiesen, lässt allerdings schon erahnen, welche Zukunft dem Land droht. Wahlen sollen, in welcher Form auch immer, 2015 oder erst 2016 stattfinden.
Journalisten wird nahegelegt, nicht von einem Putsch zu sprechen, sondern von einer notwendigen Maßnahme, um Frieden und Ordnung wiederherzustellen. So lautet die Propaganda, die die Armee verkaufen will.
Die Kehrseite der Zwangsbeglückung durch den regierenden „Nationalrat für Frieden und Ordnung“ sieht finster aus. Medien werden zensiert oder blockiert, es herrscht ein Klima der Unterdrückung. Allein in Bangkok wurden Hunderte Menschen vorgeladen, verhört und festgenommen. Etliche der Vorgeladenen wurden an geheim gehaltenen Orten festgesetzt. Unter den politischen Gefangenen waren hauptsächlich Politiker der gestürzten Regierung sowie Journalisten, Akademiker und Aktivisten.
Viele davon sind nicht nur als Kritiker des Putsches bekannt, sondern auch als Kämpfer für die Rechte von Arbeitern und als Unterstützer der unter dem drakonischen Gesetz der Majestätsbeleidigung Inhaftierten. Teilnehmer prodemokratischer Proteste wurden auf offener Straße verschleppt. Im Norden und Nordosten des Landes geht die Armee gezielt gegen die „Rothemden“ vor, die als Anhänger der entmachteten Regierung bekannt sind. Wer freikommt, muss sich verpflichten, den Mund zu halten. Der Umstand, dass das Militär ankündigte, Zivilisten in bestimmten Fällen vor ein Kriegsgericht zu stellen, ist ein weiterer Verstoß gegen internationales Recht.
Innerhalb kurzer Zeit ist Thailand zur Diktatur verkommen. Die Junta will vollenden, was die Armeeführung 2006 beim Putsch gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra begonnen hatte. Der Protestbewegung „Volkskomitee für Demokratische Reformen“ (PDRC) unter Suthep Thaugsuban diente eine Anfang November 2013 von der Regierung durchgedrückte Generalamnestie, die Expremier Thaksin die Rückkehr ermöglicht hätte, als Aufhänger für einen ausgeklügelten Plan: Man wollte nicht nur die Regierung unter Thaksins Schwester Yingluck stürzen, sondern gleich den ganzen Shinawatra-Clan und dessen Unterstützer endgültig aus der Politik verbannen.
Beobachter sahen hinter der PDRC Kräfte am Werk, die bereits 2006 Wegbereiter für den Putsch gegen Thaksin und 2008 für das Chaos verantwortlich waren, das in der Besetzung des Regierungssitzes und des internationalen Flughafens gipfelte. Die Aktionen der „Gelbhemden“ von der Volksallianz für Demokratie (PAD) hatten international Schlagzeilen gemacht. Sutheps PDRC, gestützt unter anderem von der Wahlverliererin „Demokratische Partei“, galt als eine radikalere Wiedergeburt der PAD.
Durchmarsch der Technokraten
Letztere hatte schon damals eine „Neue Politik“ gefordert, um die Demokratie zu beschränken und um das feudalistische Untertanendenken zu konservieren.
Ziel ist es, den Ultranationalisten und Ultraroyalisten unter den Technokraten, Aristokraten und Militärs weiterhin die Macht zu sichern, anstatt sie mit Thaksin und dessen Parteien zu teilen, die auf die Unterstützung vor allem ärmerer Volksmassen bauen können und seit 2001 alle Parlamentswahlen gewonnen haben. Die Mehrheit der Wähler würde damit politisch entmündigt und gezwungen, sich einer demokratisch nicht legitimierten Elite unterzuordnen, die politische Gleichberechtigung als Zumutung empfindet.
Armee keineswegs neutral
Es ist kein Zufall, dass Armeechef Prayuth zwei ihm eng verbundene Schwergewichte des militärischen Establishments zu Beratern ernannte: Prawit Wongsuwan und Anupong Paochinda, beides Generäle im Ruhestand. Sie sind Monarchisten und entschiedene Gegner des Thaksin-Lagers. Sowohl Prayuth als auch dessen Vorgänger Anupong und Exverteidigungsminister Prawit gehören einer innermilitärischen Clique an, die als „Tiger des Ostens“ bezeichnet wird. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge waren Prawit und Anupong zudem als treibende Kräfte hinter Sutheps Protestbewegung benannt worden. Wie die Machtverteilung zwischen den dreien in einer Interimsregierung aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Die militärischen Hardliner, die monatelang den Anschein von Neutralität gewahrt hatten, sind selber derart politisiert, dass sie Teil des Problems sind. Wäre der Armee tatsächlich an Stabilität gelegen gewesen, hätte sie die 2011 demokratisch gewählte Yingluck-Regierung schützen, dem von der PDRC verursachten Chaos ein Ende bereiten und für einen reibungslosen Ablauf der Neuwahlen vom 2. Februar sorgen müssen. Letztere wurden aber später vom Verfassungsgericht annulliert. Dasselbe Gericht hat auch Yingluck Anfang Mai dieses Jahres entmachtet und nur eine Restregierung im Amt belassen.
Die erzkonservativen Eliten haben den Machtkampf vorerst gewonnen. Doch die Zukunft gehört nicht den politischen Dinosauriern. Aus dem Exil heraus haben Putschkritiker bereits Widerstand angekündigt. Wiederholt gab es in Thailands Geschichte Volksaufstände gegen das Militär und dessen Diktatoren, die brutal niedergeschlagen wurden.
Dieses Wissen sitzt bis heute in den Köpfen. Doch irgendwann könnte der Widerstand erneut hervorbrechen – nicht nur versprengt, sondern in Massen. NICOLA GLASS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen