piwik no script img

NEUE RUNDE IM ENERGIEKONFLIKT ZWISCHEN MOSKAU UND MINSKLukaschenkos Tage scheinen gezählt

Der Konflikt zwischen Weißrussland und Russland verschärft sich. Die Vereinbarung über höhere Gaspreise, die am Silvestertag unterzeichnet wurde, hat den Streit keineswegs beendet. Die Regierung in Minsk will nun Abgaben auf russisches Öl erheben, das durch Weißrussland in Richtung Westen gepumpt wird. Zuvor hatte der Kreml angekündigt, dass er den Nachbarn künftig auch bei Rohöllieferungen zur Kasse bitten werde.

Die Minsker Retourkutsche zeigt, dass Weißrusslands Staatspräsident Alexander Lukaschenko verstanden hat, wie brenzlig die Situation für ihn mittlerweile ist. Noch nie hat ihm sein russischer Amtskollege Wladimir Putin innige brüderliche Gefühle entgegengebracht – doch nun steht Lukaschenko mit dem Rücken zur Wand. Mit dem Versuch, Moskau zu trotzen, will er den Weißrussen seine Entschlossenheit suggerieren, sich vom großen Bruder nicht in die Knie zwingen zu lassen.

Doch der Autokrat steht auf verlorenem Posten. Denn klar ist, dass die russischen Sonderkonditionen bei den Energiepreisen bisher das Überleben des weißrussischen Regimes gesichert haben. Die Verdoppelung des Gaspreises bringt Lukaschenko in massive Bedrängnis. Einerseits führt nun kaum ein Weg daran vorbei, die überfälligen Reformen der Staatswirtschaft einzuleiten. Andererseits wird Lukaschenko nicht umhinkönnen, einen Teil der Preiserhöhungen an die Bürger weiterzugeben. Auch das ist für ihn sehr heikel, denn die Mehrheit der Weißrussen lebt bisher auf zwar niedrigem, aber weitgehend stabilem Niveau. Wenn sich das ändert, könnten bei vielen die Schmerzgrenzen überschritten sein und Proteste ausbrechen.

Die Frage ist, welche Strategie Moskau verfolgt. Zweifellos spielt die Unlust, den Nachbarn weiter zu subventionieren, eine Rolle. Doch der Hauptgrund für die „Kriegserklärung“ dürfte ein anderer sein. Moskau ist offenbar entschlossen, der toten Union beider Staaten neues Leben einzuhauchen – selbstverständlich zu russischen Bedingungen. Im Klartext: Der kleine Nachbar wird eingemeindet. Die Tage eines souveränen Weißrussland scheinen gezählt. BARBARA OERTEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen