: Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um
Dass man es bei Wade Guytons Ausstellung in der Galerie Captain Petzel mit „Konzeptkunst“ zu tun hat, wird einem fast augenblicklich klar; zumindest gehorcht diese Ausstellung den entsprechenden ästhetischen Erkennungszeichen: Streng ist hier alles und unglaublich clean. Eine lange Reihe von Vitrinen, in den meisten finden sich Seiten aus Magazinen und Büchern: alles Mögliche von alten Ausstellungskatalogen bis zu Anzeigen und aus dem Netz ausgedruckte Webseiten, darüber unregelmäßige schwarze Balken. Guyton hat sie schlicht durch seinen heimischen Tintenstrahldrucker geschleust. Drucken auf Drucksachen, schon beschriebenes Material erneut überschrieben, Schicht über Schicht. Er selbst nennt das „Zeichnen“ und vielleicht ist es das auch: ein Zeichnen auf der Höhe der Zeit, ihrem Umgang mit Geschichte und ihren Medientechniken. Dominik Sittigs Ausstellung der Galerie Christian Nagel dagegen ist eine beinharte Malereiausstellung – und auch das heißt: eine streng konzeptuelle Angelegenheit. Auf den ersten Blick ist das, was Sittig hier unter dem schwülstigen Titel „Die gesänge des gedärms. moral & malerei 1“ veranstaltet, ganz brutale Öl-auf-Leinwand-Schleuderei: Alles dunkel, alles fett und pastös, der Gestank von Lösungsmitteln liegt schwer in der Luft, von „Treppenhäusern voll Verwesungsgeruch“ spricht der Pressetext. Und so sieht das hier auch aus: wie ausgekotzter Mageninhalt oder auf die Leinwand gestülptes Gekröse. Malerei aus dem Magen-Darm-Trakt, mehrfach verdaut und wieder ausgespuckt. Hintenrum aber ist das natürlich auch ein Meta-Kommentar auf das, woran sich die Malerei nun schon eine Weile abarbeitet: ihrem leicht unangenehmen Innerlichkeits- und wilden Ausdrucksparadigma. Hier fängt selbst diese Binnenreferenz auf die Binnenreferenz an zu stinken – im guten Sinne.
■ Wade Guyton, Capitain Petzel, Karl-Marx-Allee 45, Di.–Sa., 11–18 Uhr, bis 5. März ■ Dominik Sittig, Galerie Christian Nagel, Weydinger Str. 2, Mo.–Fr., 11–19 Uhr, Sa., 11–18Uhr, bis 12. Februar
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