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Der Klang der Wäschetrockner

INSTALLATION Einen Musikautomaten aus über 200 Haushaltsgeräten hat der Musiker Michael Petermann erbaut. Er spielt im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine eigens komponierte Sinfonie

Es entstehen Klänge, die einer Zwischenwelt angehören: technisch und doch sinnlich

Wenn sich der Wirbel der Eröffnung gelegt hat, wird es die Momente geben, in denen Michael Petermann mit seiner Schöpfung allein ist. Abends, wenn die Museumsbesucher weg sind und Montags, wenn das Museum geschlossen hat. Der Hamburger Musiker wird die Tür hinter sich schließen, seine Tastatur aufbauen, die digitalen Schnittstellen verkabeln – und ausprobieren, was in seinem Orchester-Automaten steckt, für den er acht Jahre lang Flohmärkte durchforstet hat.

Petermanns Orchester aus über 200 Haushaltsgeräten ist ab heute in der Galerie der Moderne im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen und zu hören. Die Geräte sind angeordnet wie ein Sinfonieorchester: Da, wo bei den Symphonikern die Geigen wären, stehen bei Petermanns Orchester viele elektrische Messer, Rasierer und Nähmaschinen. Dahinter, wo sonst die Holzblasinstrumente kommen, stehen Handstaubsauger und Ventilatoren. Ansteller der Blechbläser gibt es verschiedene Mixer. Und ganz oben stehen Waschmaschinen und Wäschetrockner – in Vertretung der Pauken.

Fast alle Haushaltsgeräte stammen aus der Wirtschaftswunderzeit, manche sind sogar noch älter. Das Orchester also zunächst eine Installation für Design-Freunde und für Nostalgiker: Wer alt genug ist, kennt die Geräte noch aus dem eigenen Hausgebrauch.

Aber das Orchester kann eben auch Musik machen: Petermann hat alle Geräte so verkabelt, dass er sie über digitale Schnittstellen ein- und ausschalten kann. Bei einigen Geräten kann er außerdem über einen Dimmer die Stromzufuhr steuern, die wiederum die Betriebsgeschwindigkeit beeinflusst. So lassen sich bei manchen Apparaten die Tonhöhen variieren.

Die meisten Geräte können aber nur eine Tonhöhe. Dafür sind auch über 200 Geräte in diesem Orchester vertreten – in der Welt der menschlichen Orchester wäre man ab 99 Planstellen bereits ein A-Orchester.

Das Ganze steht in der Tradition der Musikautomaten und hat, wie diese, keinen tieferen Sinn als den der Unterhaltung. Ab sofort ist während der Öffnungszeiten immer 15 Minuten nach der vollen Stunde eine von Petermann komponierte, 35-minütige „Haushaltsgeräte-Sinfonie“ zu hören. Vorab veröffentlichte Ausschnitte klingen nach Filmmusik: Soundflächen, auf denen sich Motive und Rhythmen aufbauen. Klangcollagen, die auf den ersten Höreindruck auch aus einem Computer stammen könnten, aber einer Zwischenwelt angehören: Einerseits geht es um Technik. Andererseits um eine sinnliche Art und Weise, Klang zu erzeugen.

Es ist ein tolles Instrument, das sich Petermann da gebastelt hat. Wenn er es außerhalb der Öffnungszeiten weiter erforschen wird, wird die Szenerie an Schwarz-weiß-Filme erinnern: Ein Mad Scientist hat sich in sein Labor zurückgezogen, um sein Geschöpf zum Leben zu erwecken. Das Mittel dazu ist die Elektrizität – heute wie zu Frankensteins Zeiten. KLAUS IRLER

bis 30. April, Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe

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